Modellbau-Affäre um Haderthauer:Seehofers Pokerspiel

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Bilder aus besseren Tagen: Ministerpräsident Horst Seehofer und seine Staatskanzleichefin Christine Haderthauer im Bayerischen Landtag. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Staatsanwaltschaft will gegen Christine Haderthauer ermitteln, ihre Immunität steht auf dem Prüfstand: Doch Ministerpräsident Seehofer hält an seiner Staatskanzleichefin fest. Die offizielle Begründung ist jedoch nur die halbe Wahrheit.

Von Birgit Kruse

Am Pokertisch hat schon mancher geglaubt, alle Trümpfe in der Hand zu haben. Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer scheut weder das Spiel noch hohe Einsätze. In der Modellbau-Affäre hat die Staatsanwaltschaft München II ein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet, das sie auf Seehofers Staatskanzleichefin Haderthauer ausweiten möchte. Der Landtag beschäftigt sich in einem Schnellverfahren mit der Frage, die Immunität der Abgeordneten Haderthauer außer Kraft zu setzen. Seehofer hält jedoch an ihr fest. Für Haderthauer gelte, wie für alle anderen auch, die Unschuldsvermutung. Außerdem, so Seehofer, handle es sich bei den Vorwürfen um kein Dienstvergehen.

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Die Staatsanwaltschaft will gegen CSU-Ministerin Haderthauer wegen Betrugs ermitteln und dazu ihre Immunität aufheben. Bayerns Staatskanzleichefin gibt sich uneinsichtig. Seehofer steht zu ihr - und rechnet mit einem schnellen Ermittlungsverfahren.

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Alles in Ordnung also im Kabinett Seehofer? Mitnichten. Und die offizielle Begründung ist natürlich nicht die ganze Wahrheit. Warum Seehofer an Haderthauer festhält, obwohl er andere schon ohne mit der Wimper zu zucken geschasst hätte, hat mehrere Ursachen.

Einer reicht tief in die DNA der CSU hinein: Seit dem Sieg bei der Landtagswahl im Herbst und der absoluten Mehrheit im Landtag hat die Partei auch ihr altes Selbstbewusstsein zurück. Die Landtagswahlen sind vorbei, weitere große Wahlen stehen nicht an. Die Angst, vom Wähler für irgendetwas bestraft zu werden, gibt es derzeit nicht.

Doch das alleine ist für Seehofer wohl kein Grund, an einer Ministerin festzuhalten, die selbst in der eigenen Partei kaum Fürsprecher hat. Die Partei hat ein Strukturproblem, das sich nicht einfach mit einer Umbildung des Kabinetts beheben lässt: Der CSU fehlen die Frauen, vor allem die ministrablen.

Seehofer weiß das. Schon vor geraumer Zeit hat er das Ziel ausgegeben, die Partei jünger, frischer - und vor allem weiblicher zu machen. Gelungen ist ihm das bislang nicht. Wie schwer sich Seehofer damit tut, geeignete Frauen zu finden, zeigte sich bei der Kabinettsbildung im vergangenen Herbst. Der Umbau eines Kabinetts während der Legislatur ist nicht minder schwierig.

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Bayerns Staatskanzleichefin Haderthauer hält es für das Normalste der Welt, wenn von Straftätern gefertigte Produkte die Kasse aufbessern. Trotzdem darf sie bleiben - vorerst zumindest.

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Von insgesamt 17 Kabinettsposten sind fünf mit Frauen besetzt: Sozialministerin Emilia Müller, Europaministerin Beate Merk, Gesundheitsministerin Melanie Huml, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und eben Staatskanzleichefin Christine Haderthauer.

Einige von ihnen sitzen schon lange im Kabinett. Emilia Müller seit 2003. Doch kaum eine von ihnen hat bislang politisch Akzente gesetzt - von einigen hätte sich Seehofer nach der letzten Landtagswahl gerne verabschiedet. Etwa von Beate Merk, die im Fall Mollath besonders unglücklich agiert hatte.

Von anderen Personalentscheidungen hatte er sich mehr erhofft: Etwa von Ilse Aigner, die er von Berlin nach München geholt hatte und die bislang als Ministerin blass geblieben ist. Alle sind sie noch da.

Und auch Christine Haderthauer gehört nicht zu Seehofers Hoffnungsträgern. Schon nach der Landtagswahl 2008 hätte er lieber Monika Hohlmeier zur Ministerin gemacht. Doch dagegen wehrte sich die Münchner CSU, für die Hohlmeier eine Persona non grata ist. In den Turbulenzen um die Wahlfälscher-Affäre der Münchner CSU hatte sie ihren Parteifreunden mit einem Enthüllungsdossier gedroht. Also brauchte Seehofer eine andere jüngere Frau im Kabinett.

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Was mich nicht umbringt, macht mich härter - nach diesem Motto lebt die bayerische Staatskanzleichefin Christine Haderthauer. Auch die Modellbau-Affäre wird sie wohl überstehen. Dabei fällt nicht einmal CSU-Parteifreunden etwas Nettes über sie ein.

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Er hob den Bann gegen Haderthauer auf. Als Generalsekretärin hatte sie das Wahldesaster von 2008 zu verantworten und hätte eigentlich in der politischen Versenkung verschwinden sollen, so wie Günther Beckstein und Erwin Huber. Als Sozialministerin war Haderthauer dann eher eine Fehlbesetzung, Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen gehören nicht gerade zu ihren Stärken.

Doch Seehofer hält an ihr fest. Gewinnt er die Partie, stärkt das seine Position innerhalb der CSU. Er hätte Haderthauer das politische Überleben gesichert, sie wäre ihm zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet und gleichzeitig politisch so geschwächt, dass sie ihre Ambitionen, einmal doch seine Nachfolge antreten zu können, wohl endgültig begraben müsste.

Und sollte sich Seehofer doch verspekuliert haben? Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein Ermittlungsverfahren am Ende zu einer Anklage gegen Haderthauer führt. Dann wird Teflon-Horst sicher einen Weg finden, sich galant von seiner Staatskanzleichefin sowie von seinen eigenen Worten zu distanzieren.

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