Modellbau-Affäre:Seehofer geht auf Distanz zu Haderthauer

Haderthauer und Seehofer

Der Ministerpräsident und die Leiterin der Staatskanzlei Anfang Juli. Am Dienstag ging Seehofer erstmals auf Distanz zu Hadethauer.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Erstmals grenzt sich Ministerpräsident Seehofer in der Modellbau-Affäre von seiner Staatskanzleichefin ab. In die Betrugsermittlungen gegen Haderthauer dürfte neue Dynamik kommen: Der Wert der gelieferten Modellautos könnte bis zu 2,3 Millionen Mark betragen haben.

Von Dietrich Mittler und Mike Szymanski, Nürnberg

Ministerpräsident Horst Seehofer geht in der Modellbau-Affäre auf Distanz zu seiner Staatskanzleichefin Christine Haderthauer. Erstmals zog der Regierungschef am Dienstag klare Grenzen, ab wann ein Verbleib der CSU-Politikerin im Amt für ihn nicht mehr vorstellbar sei. Dies sei der Fall, wenn Sachverhalte auftauchten, die "diametral" zu ihren bisherigen Angaben stünden, solche, die sie nicht entkräften könne - oder falls die Justiz die Betrugsvorwürfe gegen die Ministerin als erhärtet betrachte.

In der CSU gebe es keine "Kumpanei", sagte Seehofer. "Wenn irgendetwas auftauchen sollte, wird das trotz aller Stützung aufgegriffen." Dann gelte es, "neu zu bewerten". Bisher hatte sich Seehofer am deutlichsten vor Haderthauer gestellt.

Haderthauer hatte am Dienstag mit provokanten Äußerungen die Lage nochmals verschärft. Vor der ersten Sitzung des Kabinetts in der Nürnberger Niederlassung der Staatsregierung sprach sie von "Gerüchten und Verleumdungen". Sie sieht sich als Opfer einer Kampagne: "Die Empörungswelle und Skandalhysterie der letzten Wochen werden nach und nach in sich zusammenbrechen." Ihre frühere Beteiligung an der Firma "Sapor Modelltechnik" sei kein fragwürdiges Geschäft gewesen, sondern ein "von Idealismus getragenes Engagement".

Der Wert der gelieferten Autos könnte bis zu 2,3 Millionen Mark betragen haben

Seehofer hat offenbar wenig Verständnis für diese Attacke. Nach der Kabinettssitzung sagte der Ministerpräsident, er habe Haderthauer empfohlen, sich "tunlichst" auf die Fragen der Staatsanwaltschaft zu konzentrieren und - falls er zustande kommt - auch einem Untersuchungsausschuss im Landtag Rede und Antwort zu stehen. "Wenn ein solcher Sachverhalt auftritt, dann muss man ihm mit Bereitschaft zur absoluten Offenheit begegnen." Zugleich holte er sich in der Sitzung die Rückendeckung der Kabinettskollegen für den Kurs, Haderthauer vorerst weiter die Treue zu halten.

Neue Dynamik in die Betrugsermittlungen gegen Christine Haderthauer und ihren Mann Hubert dürfte jedoch ein Dokument bringen, das am Dienstagmorgen bei der Münchner Staatsanwaltschaft einging: Es handelt sich dabei um einen Brief von Hubert Haderthauer vom 29. Mai 1995, in dem er den französischen Geschäftspartner Roger Ponton bittet, mit einigen potenziellen Kunden Kontakt aufzunehmen. In diesem Jahr war Christine Haderthauer selbst eine der geschäftsführenden Gesellschafter der Firma.

Was das Schreiben für die Ermittler so interessant macht: Es enthält konkrete Stückzahlen sowie die Preise, zu denen die im Brief genannten exklusiven, von psychisch kranken Straftätern angefertigten Oldtimer-Modellen "persönlich" angeliefert werden sollten. Multipliziert man nun die jeweiligen Stückzahlen mit den Preisen, so ergibt sich daraus ein Betrag von mehr als 2,3 Millionen Mark. Eine noch nicht fertige Modellreihe außer acht gelassen, ergäben sich immer noch 1,78 Millionen Mark.

Hubert Haderthauer legte indes bislang großen Wert darauf, dass mit Sapor Modelltechnik keine großen Gewinne zu erzielen gewesen seien. Als Beleg hatte er der Süddeutschen Zeitung eine Bestätigung einer Steuerkanzlei vorgelegt: "Die Firma Sapor konnte in den vergangenen Jahren Marktpreise erzielen, die nur bescheidene Rohgewinne umfassten."

Haderthauer verlässt Sitzung durch Hintertür

Fragen werfen auch weiterhin die beiden Überweisungen der Firma Sapor Modelltechnik auf, die noch 2008 übers Konto von Christine Haderthauer liefen. Sie hatte damals insgesamt 5500 Euro von der Firma ihres Mannes erhalten. Ihren Angaben zufolge ging es um Geld für PR-Aufträge der Firma "PR-IN", das sie "ausgelegt" hatte, es sei versehentlich über ihr Konto gelaufen. Wie mittlerweile bekannt wurde, steht hinter der PR-Firma Christine Haderthauers Stimmkreisreferentin Dorothea Soffner, Stadträtin der CSU in Ingolstadt. Eine Vermischung bei Zahlungen könnte durchaus heikel sein, denn als Parlamentarierin bekommt Haderthauer das Geld für ihre Mitarbeiter vom Landtag.

Soffner reagierte nicht auf Nachfragen. Haderthauer ließ die Frage, ob sie die Kosten für die PR-Arbeit für Sapor Modelltechnik vom selben Konto beglich wie die Dienstleistungen für ihre Abgeordnetentätigkeit, trotz mehrmaliger Anfrage der SZ unbeantwortet. Sie teilt aber mit: "Es gab weder eine Vermischung bei der Leistungserbringung noch bei der Rechnungsstellung. Es gab keine Korrekturen oder Rückzahlungen gegenüber dem Landtag, weil nichts vermischt wurde."

Aus der Staatsregierung hieß es, Haderthauer stehe nun alleine da. Nur sie sei in der Lage, alle Fragen zu beantworten. Haderthauer verließ die Kabinettssitzung in Nürnberg am Dienstag durch die Hintertür. Dort wartete bereits ein Auto mit laufendem Motor.

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