Süddeutsche Zeitung

Modellbau-Affäre:Haderthauers Sprüche und Widersprüche

Sie setzt sich vehement gegen alle Vorwürfe zur Wehr. Doch einige der Erklärungen von Staatskanzleichefin Christine Haderthauer zur Modellbau-Affäre werfen mehr Fragen auf als sie beantworten.

Von Dietrich Mittler, Frank Müller und Mike Szymanski

Die Fragen an Christine Haderthauer werden drängender.Ministerpräsident Horst Seehofer hat deutlich gemacht, dass er nicht mehr bedingungslos an ihr als Staatskanzleichefin festhält. Deshalb wird ihre Verteidigungslinie in der Modellbauaffäre noch detaillierter unter die Lupe genommen. Auch die Staatsanwaltschaft, die gegen Haderthauer und ihren Ehemann Hubert wegen Betrugsverdachts ermittelt, wird erneut aktiv. Sie kann jetzt auf weitere Originaldokumente des Klägers Roger Ponton zugreifen, der sich durch seine Ex-Geschäftspartner "arglistig getäuscht" fühlt. Christine Haderthauer weist alle Vorwürfe zurück - die SZ überprüft hier ihre bisherigen Aussagen.

"Und dann wird sehr schnell deutlich, dass das Ganze kein fragwürdiges Geschäftsmodell war, sondern ein von Idealismus getragenes Engagement finanzieller Art."

(Christine Haderthauer am Dienstag vor der Kabinettssitzung in Nürnberg)

Vieles deutet darauf, dass es von Anfang an ums Geschäft, um zu erzielende Gewinne ging. Der Süddeutschen Zeitung liegt ein handschriftliches Protokoll der Gründungsbesprechung für die spätere Firma Sapor Modelltechnik vor - anfangs noch als GmbH angedacht. Schon darin hat Hubert Haderthauer, von 1986 bis 1991 als Arzt im Bezirksklinikum Ansbach tätig, seinen Anteil fixieren lassen. Ein Denkmodell sah vor: Für ihn und den von ihm abhängigen Forensik-Patienten Roland S., der bei der Herstellung der Oldtimer-Modelle eine maßgebliche Rolle spielte, wurde ein gemeinsamer Anteil von 40 Prozent festgelegt. Ob es sich dabei um den Gewinnanteil oder den Geschäftsanteil handelt, geht aus dem Dokument nicht hervor.

"Da lag der Gewinn nach Berechnung des Steuerberaters bei durchschnittlich 7800 Euro pro Jahr."

(Christine Haderthauer im Donaukurier vom 25. Juli 2014)

Das Dokument, auf das sich die Staatsministerin hier bezieht, liegt der SZ vor. Darin heißt es wörtlich: "Die Gewinne der betreffenden Jahre sind in meinem Büro ermittelt und gem. Steuererklärungen von der Finanzverwaltung der Besteuerung zu Grunde gelegt worden. Hiernach erzielte die Firma Sapor in den Jahren 2004, 2005, 2006 und 2007 einen jährlichen Gewinn von durchschnittlich Eur. 7833,00."

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft München II gibt es indessen Anhaltspunkte dafür, dass dem Finanzamt gegenüber inkorrekte Angaben gemacht wurden. Davon hatte nach Ansicht der Ermittler Christine Haderthauer Kenntnis, denn sie habe die Korrespondenz mit dem Steuerberater geführt. Doch auch die dem Finanzamt mitgeteilten Zahlen von Sapor Modelltechnik weisen hohe Betriebseinnahmen aus: im Jahre 2004 zum Beispiel mehr als 84 000 Euro, im Jahre 2007 gar mehr als 192 000 Euro. Die Steuerfahnder haben jedoch den Verdacht, dass in den Gewinnermittlungen für die Jahr 2007 und 2008 hohe Gewinne aus dem Verkauf von Modellautos nicht eingebracht wurden.

"Sie war auch nie Geschäftsführerin der genannten Gesellschaft."

(Abmahnung durch Haderthauers Rechtsanwalt Klaus Rehbock an die Süddeutsche Zeitung, 29. Mai 2014)

Dieser Aussage stehen zahlreiche Dokumente entgegen. Bereits 1993 bat sie den Mitgesellschafter Roger Ponton um eine "Vollmachtserklärung für mich, damit ich die notwendigen Maßnahmen zur Geschäftsführung vornehmen kann". Darin erklärt Haderthauer auch, warum sie diese braucht: "Diese Vollmacht hätte ich zum Beispiel gegenüber der Industrie- und Handelskammer in München gebraucht, um das Auslandscarnet für die Messe in Bern ausstellen zu lassen." Diese Vollmacht wurde ihr von Ponton am 7. November erteilt, um "alle zur Geschäftsführung notwendigen Handlungen auch in meinem Namen vorzunehmen".

Ihre tatsächliche Rolle ist auch bereits im Gewerberegistereintrag vom 11. Juli 1990 ausdrücklich genannt: als eine der "geschäftsführenden Gesellschafter". Am 11. März 1992 entzog sie wiederum einem bisherigen Mitgesellschafter die "Geschäftsführungsbefugnis" und erklärte ihn als "aus der Gesellschaft ausgeschlossen". Das Treuhandkonto der Firma Sapor Modelltechnik war nachweislich auf Christine Haderthauer angelegt. Noch im Oktober 2008 bekam sie Geld von Sapor auf ihr Konto überwiesen. Sie erklärte, sie habe zuvor Geld für die Firma ausgelegt.

"Es ist tatsächlich ungeheuerlich, was man jeden Tag so über sich erfährt! Nein, ich bin niemals mit Herrn R.S. essen gewesen."

(Haderthauer am 5. August auf ihrer Facebook-Seite)

In der Frage, ob es direkte Kontakte zwischen dem sicherheitsverwahrten psychisch kranken Straftäter Roland S. und der Staatsministerin gab, schaukeln sich völlig widersprüchliche Aussagen hoch. Dass dieser vor dem Jahr 2000 "einmal im Rahmen eines genehmigten Freigangs" im Privatanwesen der Haderthauers in Ingolstadt war, räumt Haderthauer selbst ein. Sie will sich aber nicht daran erinnern, ob sie selbst dabei war. Vollkommen anders wird dies vom Ex-Geschäftspartner der Haderthauers, Roger Ponton, in der Bild dargestellt.

Hubert Haderthauer habe S. "etwa 50 Mal" zu Abendessen in Restaurants geholt bei mehrmaliger Anwesenheit von Christine Haderthauer. Roland S. selbst sagte bei einem Besuch der SZ im Bezirksklinikum Straubing: "Einmal wurde ich bei den Haderthauers in ihrem Haus empfangen, bevor wir in Ingolstadt zum Essen gingen. Und natürlich habe ich mich über das von beiden angebotene Du gefreut."

"Wer sich weigert, Antworten der Staatsregierung zu Landtagsanfragen zur Kenntnis zu nehmen, dem geht es nicht um die Sache sondern nur noch um das Betreiben von Diffamierungskampagnen."

(Haderthauer auf Facebook, 23. Juli 2014)

Der Aufklärungswille von Christine Haderthauer war vor allem im vergangenen Jahr nicht immer zu erkennen. Sie verweist zwar darauf, mehr als 120 Fragen beantwortet zu haben, aber manchmal halt auch nur mit dem Hinweis, dass dies oder jenes den fragenden Abgeordneten nichts angeht. So hieß es im Sommer vergangenen Jahres auf eine Anfrage der Grünen: "Fragen hinsichtlich einer Beteiligung von Frau Christine Haderthauer an Sapor Modelltechnik vor ihrer Berufung ins Kabinett betreffen deren privaten Schutzbereich."

Sie hat das Parlament sogar falsch informiert, als die Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote im Mai vor einem Jahr wissen wollte, ob die Staatsregierung "Kenntnis über persönliche Treffen" zwischen ihrem Mann und Roland S. habe, der drei Männer getötet hatte. Die Antwort aus dem Sozialministerium lautete: "Nein." Das ist mittlerweile durch Haderthauer selbst widerlegt.

Obwohl sie später behauptet, die Arbeit für die Patienten als Modellbauer sei wertvoller als "Tütenkleben" und für jedes Auto wohl 700 Arbeitsstunden anfielen, will sie anfangs nicht einmal stehen lassen, dass S. Modellbauer war. "Nach Kenntnis der Staatsregierung war S. zu keiner Zeit für die Sapor Modelltechnik als Modellbauer tätig", schreibt ihr Haus. "Richtig ist, dass Herr S. in der Arbeitstherapie Modellbau zum Zwecke der Therapie beschäftigt ist."

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Quelle:
SZ vom 07.08.2014/vewo
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