Modellbau-Affäre:Der Straftäter, ein Patient

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Wie kann es sein, dass der Mörder und Modellbauer Roland S. unbewacht die Forensik verlassen durfte? Antwort: Das ist durchaus üblich. Unter welchen Umständen psychisch kranke Kriminelle die Klinik verlassen dürfen.

Von Kathleen Hildebrand und Anne Kratzer

Auf den Fotos, die seit dem Wochenende mal mehr, mal weniger verpixelt in den Zeitungen zu sehen sind, sitzt ein Mann entspannt und heiter an einem Messestand in Frankfurt am Main. Links von ihm stehen ein paar gefüllte Weingläser, rechts von ihm steht Hubert Haderthauer. Der Mann ist Roland S., der begabte Modellauto-Bauer der Firma Sapor Modelltechnik. Aber eben auch: Roland S., der verurteilte Dreifachmörder, untergebracht seit Ende der Achtzigerjahre im Maßregelvollzug des Bezirksklinikums Ansbach.

Das Foto wurde Anfang der Neunzigerjahre aufgenommen. Wie es möglich war, dass Roland S. um die eigentlich sehr strengen Sicherheitsvorschriften der Ansbacher Forensik herumkam, ist unklar. Dass jedoch verurteilte, psychisch kranke Straftäter die forensischen Abteilungen verlassen dürfen, in denen sie untergebracht sind - das ist auch heute durchaus üblich.

Sicherung mit doppelter Aufgabe

Die Unterbringung im Maßregelvollzug ist mit gewöhnlichen Haftstrafen nicht gleichzusetzen. Sie hat eine doppelte Aufgabe: die Sicherung der Delinquenten und damit den Schutz der Allgemeinheit vor möglichen weiteren Straftaten - und die Therapie.

Grundsätzlich gilt: Wer auf richterliche Anordnung in einer forensischen Abteilung untergebracht wird, darf die Einrichtung nicht auf eigenen Wunsch verlassen. Eine maximale Aufenthaltsdauer gibt es laut Paragraf 63 im Strafgesetzbuch im Maßregelvollzug nicht. Der Freiheitsentzug ist theoretisch nach oben offen, wenn von dem Täter weitere Straftaten und somit eine Gefährdung der Allgemeinheit zu erwarten sind. Doch eine Forensik ist trotz allem auch eine Klinik - und die hat die Aufgabe, die sehr verschiedenen Menschen zu heilen, die ihr überantwortet werden: von der Suchtkranken bis zum Gewaltstraftäter. Im Fall psychisch kranker Straftäter heißt das: Sie sind immer auch Patienten und sollen zu einem Leben in Freiheit befähigt werden.

Michael Wörthmüller ist Chefarzt der Forensik in Erlangen. Er sagt: "Dass die Patienten Lockerung bekommen, also in ungesichertes Gelände können und später auch die Klinik verlassen dürfen, ist ein fester Bestandteil der Therapie." So wird erprobt, ob sich ein Therapiefortschritt zeigt - und es ist eine Vorbereitung auf die Freiheit.

Damit die Rückführung ins eigenständige Leben gelingt, sei es wichtig, die Patienten mit der Realität zu konfrontieren. Sonst geht der Umgang damit womöglich verloren: "In der Klinik geben wir den Menschen ein neues System und daran passen sie sich an, sodass sie ihre Alltagskompetenzen verlieren können", erklärt Manuela Dudeck, Maßregelvollzugsleiterin der Forensik in Günzburg und Professorin für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie an der Uni Ulm. Es gibt also gute Gründe dafür, dass die meisten ihrer 116 Patienten Lockerungen genießen. Einige verlassen die Klinik täglich, um zu arbeiten.

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