Mobilität im ländlichen Raum:Weg - nur wie?

Mobilität im ländlichen Raum: Döhlau: An einer Haltestelle hängt ein Halteschild des Hofer Landbusses. Wer mitfahren will, bucht eine Fahrt in der App.

Döhlau: An einer Haltestelle hängt ein Halteschild des Hofer Landbusses. Wer mitfahren will, bucht eine Fahrt in der App.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Car-Sharing, Lastenrad, Bus und Bahn. Ist gut fürs Klima und spart Geld bei hohen Spritpreisen. Auf dem Land ist das allerdings nicht so einfach und die Wege in die nächste Stadt sind oft weit. Nun gibt es in Bayern dazu einige neue Ideen.

Von Kathrin Zeilmann/dpa, Hof/Bayreuth/Bad Hindelang

Ein Dorf, irgendwo in Franken. In der Früh holt der Bus die Schulkinder ab, nachmittags bringt er sie wieder. Wer spontan zum Arzt muss, um Punkt 11.30 Uhr einen Behördentermin hat, einen Job außerhalb der Zielstadt hat oder mal abends ins Kino möchte, braucht ein Auto. Doch die Spritpreise steigen, der klassische Pkw gerät im Zuge der Klimaschutz-Debatten immer mehr in Verruf. Dass man auf einer der bunten Mitfahrbänke, die in vielen Dörfern aufgestellt sind, wartet, bis ein Autofahrer Erbarmen hat, kann keine ernsthafte Alternative sein. Öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad oder Sharing-Angebote nutzen, sind gute Ideen in Ballungsräumen oder in der Stadt. Doch auf dem Land?

Die Lage des öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) lässt sich so zusammenfassen: Je ländlicher die Region, desto ausgedünnter die Fahrpläne. "Auf dem Land habe ich derzeit die Wahl zwischen Autofahren und Sitzenbleiben. Neue Arten des öffentlichen Verkehrs - wie Sharing, fließende Grenzen zwischen öffentlichem Verkehr und Privatverkehr oder digitale Lösungen werden die Situation auf dem Land zwar verbessern, sie werden aber nie in eine neue Qualität umschlagen", sagt Mobilitätsexperte Lutz Fügener von der Hochschule Hof. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition im Bund heißt es: "Wir wollen Länder und Kommunen in die Lage versetzen, Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV zu verbessern." Konkrete Maßnahmen sind nicht genannt.

Doch es gibt neue Ideen. Zum Beispiel im Landkreis Hof: Der Hofer Landbus hat keinen festen Fahrplan. Wer von A nach B will, kann in einer App oder am Telefon eine entsprechende Fahrt buchen. Die Routen werden flexibel berechnet. Zur Verfügung steht der Bus täglich von 6 bis 23 Uhr - auch am Wochenende. Jede Fahrt kostet drei Euro, die durchschnittliche Wartezeit auf den Bus beträgt zehn Minuten. Das Projekt läuft bereits im Bereich Rehau und Regnitzlosau und soll nun auf andere Kommunen ausgeweitet werden: "Der Hofer Landbus ist ein absolutes Erfolgsprojekt, das wir ausbauen werden", sagt Landrat Oliver Bär (CSU). Die Rückmeldungen seien extrem positiv. "Ziel ist, dass der Hofer Landbus die gesamte Region erfährt."

Rehaus Bürgermeister Michael Abraham sagt: "Der günstige Fahrpreis, die große Anzahl von Haltestellen, die bedarfsgesteuerte Anforderung und die umfangreichen Nutzungszeiten treffen den Zeitgeist." Der Hofer Landbus sei "der Durchbruch im öffentlichen Personennahverkehr". Zusammen mit dem bestehenden Linienverkehr und der Bahn biete das Projekt "Mobilitätsangebote, die man sonst nur von Großstädten kennt". Mit 600 000 Euro, verteilt auf fünf Jahre, unterstützt der Freistaat Bayern das Projekt. Der Landkreis Hof steuert jährlich rund 120 000 Euro bei.

Ähnlich ist das Konzept in Bad Hindelang im Allgäu. Ein neuer, elektrisch betriebener Rufbus namens "EMMI" kann mobil per App gebucht werden. Auch hier gibt es keinen Fahrplan und keine feste Route. "Auf diese Weise können auch entlegene Weiler an den ÖPNV angeschlossen werden", teilen die Verantwortlichen mit. Leerfahrten würden vermieden, da die Routen immer wieder neu - je nach Bedarf - errechnet und Fahrten gebündelt würden. Als "flexibler, nutzerfreundlicher und nachhaltiger", beschreibt Bürgermeisterin Sabine Rödel das neue Angebot. Das Projekt läuft zunächst zwei Jahre und kostet der Gemeinde jährlich 300 000 Euro.

Der ÖPNV müsse so attraktiv werden, dass in einer Familie, die auf dem Land lebt, mindestens ein Auto abgemeldet werden kann, fasst Jörg Lange vom Fahrgastverband Pro Bahn zusammen. "Kritiker malen dann gerne die Bilder von leeren Geisterbussen an die Wand. Ein Angebot an die Bürger, das genutzt werden soll, muss aber eben auch für die Bürger passen - das ist wie beim Schuhkauf." Im ländlichen Raum habe inzwischen fast jeder Volljährige ein Auto - denn Einkaufsmöglichkeiten und Schulen gebe es längst nicht mehr in jedem Ort. Fairerweise müsse man aber sagen, dass inzwischen viele Menschen sensibler bei den Themen Klima und Umwelt geworden seien, betonte Lange. Sie seien deshalb eher bereit, gewisse "Unbequemlichkeiten" in Kauf zu nehmen, um trotzdem mit dem Bus oder der Bahn zu fahren. Mit flexiblen Angeboten wie dem Hofer Landbus könne ein gutes ÖPNV-Angebot auch auf dem Land organisiert werden.

Als Beispiele nannte Lange auch den Lechbus im Landkreis Donau-Ries oder den Flexibus in Günzburg und Leipheim, der telefonisch gebucht werden kann. In Bayern befasst sich ein Zukunftsrat mit dem Ausbau des ÖPNV-Angebots bis 2030. Das Ziel: Eine Verdopplung der Fahrgastzahlen. "Mit der ÖPNV-Strategie 2030 werden wir zahlreiche Verbesserungen anstoßen, die am Ende vor allem den Fahrgästen zugutekommen", versprach Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) im Dezember.

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