Mobilfunk hilft Leben retten:Per Satellit zum Notfall

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Neue App lotst qualifizierte Helfer zum Patienten und verbessert so die Rettungskette

Von Dietrich Mittler, München

Alexander Hatz, Notarzt aus Neuburg an der Donau, war es leid, vor Menschen zu stehen, die noch leben würden - hätte nur einer der Gaffer endlich mit der Reanimation begonnen. "Da sind Menschen vor sich hingestorben, und keiner der Umherstehenden hat das auch nur wahrgenommen", sagt er. Gemeinsam mit einem Kollegen hat Hatz dann zufällig eine App entdeckt, die bei der Notfallrettung eine entscheidende Lücke schließen kann. Sie lotst per GPS ehrenamtliche Helfer zum Notfallpatienten. Vom 1. Oktober an wird das im Norden Deutschlands bereits bewährte Netz an Mobilen Rettern nun auch im Großraum Ingolstadt gespannt.

Das neue Rettungsmodell soll sicherstellen, dass sich qualifizierte Helfer um kollabierte Menschen kümmern können, bis die Rettungskräfte eintreffen. Es basiert auf der gängigen Mobilfunk- und Navigationstechnik. Am Ablauf der Alarmierung ändert sich dabei gar nicht viel: In der Rettungsleitstelle geht unter der Nummer 112 ein Notruf ein. Die Leitstelle alarmiert die Rettungsdienste sowie den Notarzt und schickt ihnen per SMS erste Informationen zum Einsatz.

"Genau diese SMS wird nun im Bereich des Rettungszweckverbands Ingolstadt - dazu gehören auch die Landkreise Eichstätt, Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen - an eine weitere Telefonnummer geschickt", sagt Hatz. An der Nummer wiederum hängt der Server der Mobilen Retter, der die SMS ausliest und sodann automatisch einen der ehrenamtlichen Helfer über den Notfall informiert. Dabei wählt der Server die zuvor über GPS georteten Helfer danach aus, wer sich gerade am nächsten zum Patienten aufhält. So wird wertvolle Zeit gewonnen, die letztlich über Leben und Tod entscheiden kann.

"Im ersten Schritt wollen wir nur Personen haben, die beruflich bedingt oder in ihrer Freizeit regelmäßig eine Reanimationsausbildung absolvieren, also Ärzte, Krankenschwestern, Altenpfleger, Rettungsschwimmer, Feuerwehrleute, ehrenamtliche Sanitäter und so weiter", zählt Hatz auf. 300 Personen sind dem Aufruf des Rettungszweckverbandes Ingolstadt bereits gefolgt, die ersten 140 haben am vergangenen Wochenende ihre Erstunterweisung und Schulung absolviert. In der mussten sie beweisen, dass sie Menschen jeden Alters reanimieren können. "Dann wurde ihnen erklärt, wie die App funktioniert und wie die Übergabe der Patienten an den Rettungsdienst ablaufen soll", sagt Hatz.

Der 53-Jährige, der sein Geld hauptsächlich als Betriebsarzt in Großunternehmen verdient, hat eigenen Angaben zufolge "gut und gerne 6500 Notfalleinsätze auf dem Buckel". Am Heimatstandort Neuburg ist er im Monat an acht Tagen als Notarzt tätig. "Ich habe also schon einiges gesehen", sagt er. Am meisten ärgere er sich darüber, "dass unser Gesetzgeber seit Jahren nicht in der Lage ist, Autofahrer regelmäßig zu einem Erste-Hilfe-Kurs zu verpflichten". Klar sei es für jeden Bürger Pflicht, Erste Hilfe zu leisten - aber wie, das interessiere offenbar niemanden.

Alexander Hatz ist in der Rettungsbranche kein Unbekannter: 2015 drohte ihm eine Strafe, weil er, um ein Kleinkind vor dem Ersticken zu bewahren, laut Anzeige andere Autofahrer gefährdet habe. Nach bundesweitem Protest wurde der Strafbefehl zurückgezogen. "Ich habe ein breites Kreuz", sagt er, "und ich werde alles tun, damit diese App hier flächendeckend zum Einsatz kommt."

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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