Süddeutsche Zeitung

Mixa-Nachfolger Zdarsa:Beten und umkrempeln

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Er spricht von einer Periode der "Heilungen" und davon, dass er andere Vorstellungen hat als sein "werter Vorgänger": In Augsburg verkündet Mixa-Nachfolger Zdarsa, wie er das zerstrittene Bistum einen will.

Stefan Mayr, Augsburg

Einen derart heftigen und lang anhaltenden Applaus hat es im Hohen Dom zu Augsburg schon lange nicht mehr gegeben. Die dreischiffige Kathedrale ist voll besetzt, viele Menschen drängen sich stehend neben dem Altar, um einen Blick auf den künftigen Bischof Konrad Zdarsa zu erhaschen. "Ein herzliches Grüß Gott", ruft ihm Weihbischof Josef Grünwald zu, die Gläubigen und auch die Mitglieder des Domkapitels klatschen fast schon euphorisch. In diesem Moment wird die Erleichterung der schwäbischen Katholiken offenkundig, dass sie endlich wieder einen Oberhirten haben. Und die Hoffnung, dass endlich wieder Ruhe einkehrt nach der turbulenten Ära seines Vorgängers Walter Mixa.

Konrad Zdarsa selbst scheint geradezu überwältigt zu sein von dem Zuspruch - und von den Erwartungen, die dabei mitschwingen. Als der Applaus verstummt und die hellen Stimmen der Domsingknaben zum Jubilate Deo erklingen, zuckt Zdarsas rechte Hand unruhig umher. Er atmet mehrmals tief durch. Wie ein nervöser Proband nach einer schweren Prüfung - oder besser: vor der Prüfung. Der künftige Oberhirte ringt sichtlich um Fassung.

Nach all dem Ärger während Mixas Amtszeit und dessen Prügel- und Untreue-Affäre herrscht heute im Bistum Augsburg wenigstens Einigkeit in einer Sache: Der 66-jährige Zdarsa steht vor einer alles andere als leichten Aufgabe. Andere sind in seinem Alter längst in Rente, für ihn beginnt mit der Amtseinführung am 23. Oktober seine wohl schwerste Mission als Kirchenmann. Bisher verwaltete er im beschaulichen Görlitz 30.000 Katholiken in der kleinsten Diözese Deutschlands.

In Augsburg ist er verantwortlich für 1,3 Millionen Gläubige, und das Bistum ächzt angesichts des Priester- und Geldmangels, angesichts der Kirchenaustritte und vor allem des Streits um Walter Mixa, der die Diözese in zwei Lager spaltete. Fortan wird jede Entscheidung, jeder Schritt Zdarsas von den Parteien beäugt werden. "Ich bete", sagt Franziskanerinnen-Schwester Petra vor dem Portal des Doms, "ich bete, dass er unterscheiden kann, wer rechtschaffen ist und wer nur Machtspiele betreiben will."

Nach dem gemeinsamen Gebet im Dom nimmt sich Zdarsa viel Zeit für die Gläubigen. Er schüttelt Hände, ruft "Danke, dass Sie gekommen sind" und stellt sich für Erinnerungsfotos zur Verfügung. Zu den Pressevertretern sagt er auf die Frage, wie er die Herkulesaufgabe bewältigen will: "Herkules war nicht nur kräftig, sondern auch listig und schlau."

Konrad Zdarsa gilt als besonnener Mann. Er gibt sich betont bescheiden, wird aber auch als ehrgeizig beschrieben. Es heißt auch, er sei sehr harmoniebedürftig, und es gibt Stimmen, die bezweifeln, dass er seiner neuen Aufgabe gewachsen ist. Auf die Frage nach seinem Programm antwortet Zdarsa stets, er wolle die Gläubigen zahlreich in die Gottesdienste locken:

"Wenn wir uns immer wieder versammeln und Gott lobpreisen, habe ich keine Sorge um diese Stadt, dieses Bistum und dieses Land."

Doch es gibt auch drängende konkrete Fragen: vor allem jene, ob und wann Mixa wieder Gottesdienste im Bistum leiten wird. Zdarsa verweist auf den Papst, der eine "Periode der Heilungen" empfahl, ehe Mixa wieder in der Seelsorge eingesetzt werden könne. "Diese Periode sind keine 14 Tage", sagt Zdarsa, "das ist ein Prozess, der nicht so leicht ist."

Eine weitere Altlast aus der Ära Mixa ist die Personalie Dirk Hermann Voß. Der umstrittene Manager wurde zwar im Zuge der Prügel-Affäre als Pressesprecher des Bistums abgesetzt. Er ist allerdings bis heute Geschäftsführer des Sankt-Ulrich-Verlages (SUV), einer hundertprozentigen Tochter der Diözese. Voß hat mit dem SUV ein Medienimperium aufgebaut, das viele Kirchensteuer-Millionen für umstrittene Publikationen ausgibt.

So betreibt die Katholische Sonntagszeitung aus dem SUV nach wie vor schamlos Propaganda für die Paneuropa-Union, eine erzkonservative Gruppierung, in der Voß Landesvorsitzender ist: Anfang August druckte das Blatt ein halbseitiges Interview mit dem CSU-Mann Bernd Posselt, dem Chef der Paneuropa-Union. Ende August durfte Posselt einen Gastkommentar schreiben. Posselt hier, Posselt da, und stets mit Foto. Obendrein ist der SUV mit 22,6 Prozent am Paneuropa-Verlag beteiligt. Dieses verlustbringende und parteipolitisch alles andere als neutrale Engagement ist selbst in Kirchenkreisen höchst umstritten.

Konrad Zdarsa betonte in einer Pressekonferenz am Dienstag, er habe "eine andere Einstellung" als sein "werter Vorgänger", und deutete - gar nicht harmoniesüchtig - einen "kommunikativen und personellen Neuanfang" an. Ob Dirk Hermann Voß' Tage als SUV-Chef gezählt sind, ließ er allerdings offen.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2010
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