Wann das Mittelalter zu Ende war, ist eigentlich egal, aber es bleibt eine Streitfrage für die Gelehrten. Handgestoppt um 1500 halt, aber wann ganz genau? Mit dem Untergang des Oströmischen Reichs anno 1453? Oder mit Luthers Thesen 1517? Ein gutes Indiz wäre wohl das Aufkommen der selbst schon recht rückblickenden Bezeichnung „Mittelalter“. Aber mit diesem „medium aevum“ sind die allerersten Humanisten in Italien eigentlich auch schon im 14. Jahrhundert um die Ecke gekommen.
Anderswo hat das noch gedauert, auch in Mittenwald im oberen Isartal, trotz der schon damals engen Beziehungen in den Süden. Aber jetzt haben die Mittenwalder für sich selbst endlich Klarheit geschaffen: Nächstes Jahr ist in Mittenwald Schluss mit Mittelalter. Spätestens von 1. bis 9. August 2026 hat dort Frühe Neuzeit zu sein.

SZ Bayern auf Whatsapp:Nachrichten aus der Bayern-Redaktion – jetzt auf Whatsapp abonnieren
Von Aschaffenburg bis Berchtesgaden: Das Bayern-Team der SZ ist im gesamten Freistaat für Sie unterwegs. Hier entlang, wenn Sie Geschichten, News und Hintergründe direkt aufs Handy bekommen möchten.
Der ursprüngliche Anlass für diesen einstimmig gefassten Gemeinderatsbeschluss liegt auch schon eine Weile zurück, nämlich im Jahr 1487, welches offenbar auch ein gutes Ende für das Mittelalter abgäbe. In jenem Jahr jedenfalls brach der Tiroler Erzherzog Sigismund der Münzreiche einen Krieg gegen die Venezianer vom Zaun. Und in dessen Folge wurden die Bozner Märkte von Bozen nach Mittenwald verlegt.
Diese Bozner Märkte waren eine Art internationale Handelsmessen für die frühen Fernhändler und Luxuskaufleute aus Venedig, Augsburg oder Nürnberg. Aber auch für die Mittenwalder waren sie dann fast zwei Jahrhunderte lang so ein gutes Geschäft, dass diese sich bis heute daran erinnern – obwohl sie spätestens beim bisher letzten Bozner Markt im Jahr 2017 ordentlich draufgezahlt haben. Der war aber längst ein reines Historienspektakel wie die beiden Bozner Märkte von 1924 und 1929 und wie alle weiteren, die in Mittenwald seit 1987 alle paar Jahre stattfinden sollten.
Auf diesen Märkten soll es zumindest bei den Mitwirkenden und Standbetreibern möglichst authentisch zugehen. Also lieber Wein und Hollersaft aus dem tönernen Becher als Bier und Kaffee aus Glas und Tasse. Besser handgenähte Gewänder aus Wolle und Leinen statt Maschinengewebtes aus Acryl und Polyester. Samt und Seide gern, aber nicht für einfache Bauern und Obstfeilbietende.
Weil beim letzten Mal nicht alles absolut authentisch rübergekommen ist, haben die Mittenwalder für 2026 eine Art Wächterrat installiert, und der hat seine Richtlinien jetzt vom Gemeinderat bestätigt bekommen. Frühe Neuzeit lautet demnach die Devise für 1487 wie für 2026 - und ausdrücklich nicht Mittelalter.
Das richtet sich gegen diese hornbehelmten Wikinger und all die blechernen Ritter, gegen die ganzen Gandalfs, sonstigen Zauberer und gegen alle möglichen anderen Fantasy-Figuren, wie sie sich halt überall gern auf den Mittelaltermarkt werfen. Zugleich gilt es natürlich nur für die Mitwirkenden. Wer sonst kommen mag, kann das gern als Gandalf tun oder in anderen typischen Gewändern der Spätmoderne. Wann immer die genau begonnen hat.

