Streitkräfte in Mittenwald:Im Namen des Generals

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Verteidigungsminister Boris Pistorius mit Gebirgsjägern der Bundeswehr, hier im März bei einer Nato-Übung fernab von allen Mittenwalder Namensfragen in Norwegen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Eigentlich ließ die Bundeswehr nur leise nachfragen, ob sich die Gemeinde Mittenwald eine neuerliche Umbenennung der örtlichen Karwendel-Kaserne vorstellen könnte. Jetzt ist daraus eine laute Debatte geworden.

Von Matthias Köpf, Mittenwald

Dass sie mit Gegnern zu tun haben, lässt sich für die Gebirgsjäger der Bundeswehr manchmal kaum vermeiden. So waren Soldatinnen und Soldaten der Gebirgstruppe zuletzt auch in Afghanistan und Mali im Einsatz. Aber dass sie sogar daheim in ihrer Kaserne in Mittenwald von Gegnern umgeben wären? Die gesamte Marktgemeinde, so versichert Bürgermeister Enrico Corongiu (SPD), sei den Gebirgsjägern jedenfalls eng und freundschaftlich verbunden. Der Historiker Michael Wolffsohn gibt dem aber gerade eine andere Wendung. „Mit solchen Freunden in der Heimat braucht die Bundeswehr keine Gegner mehr“, schreibt Wolffsohn in einem offenen Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius. Grund für den Überraschungsangriff ist der erklärte Unwille des Mittenwalder Gemeinderats, wieder mal eine örtliche Kaserne umzubenennen.

In der 7300-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen gibt es immerhin drei solche Bundeswehr-Liegenschaften, und sie alle haben scheinbar fast naturgegebene Namen. Die Edelweiß-Kaserne ist Sitz des Gebirgsjägerbataillons 233, die Karwendel-Kaserne beherbergt die Gebirgs- und Winterkampfschule der Bundeswehr, und zu dieser gehört noch die entsprechend gelegene Luttensee-Kaserne.

Die Edelweiß-Kaserne trägt seit 1964 das Abzeichen der Gebirgsjäger im Namen, 1937 war sie als „Jäger-Kaserne“ eingerichtet worden. Die heutige Karwendel-Kaserne wurde ebenfalls 1937 während der NS-Zeit gebaut und zunächst nach Erich Ludendorff benannt, der sich während des Ersten Weltkriegs zum heimlichen Militärmachthaber aufgeschwungen und danach die Republik bekämpft hatte – unter anderem als Miterfinder der Dolchstoßlegende und Teilnehmer des Hitler-Putschs von 1923.

1945 wurde aus der „Ludendorff-“ die „Pionier-Kaserne“ – bis es die Bundeswehr 1964 für angemessen hielt, sie nach dem Wehrmachtsgeneral Ludwig Kübler zu benennen, obwohl der für schwere Kriegsverbrechen an der Ostfront und am Balkan verantwortlich war. Darauf wies 1995 die Friedensbewegung Pax Christi hin, worauf der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) gegen mancherlei Widerstände entschied, aus der General-Kübler- die Karwendel-Kaserne zu machen. Rühe wolle lieber gar keine Personen mehr als Namensgeber, hieß es damals.

Der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn ist auch in der Debatte über die Karwendel-Kaserne nicht um scharfe Formulierungen verlegen. (Foto: Robert Haas)

In Mittenwald, wo man daran noch genauso gut erinnert wie an den jahrelangen Streit über den Umgang mit den Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger, können die meisten Gemeinderäte Rühes Haltung offenbar immer noch viel abgewinnen. Der Rat hat da streng genommen aber nichts zu entscheiden. Dass er sich mit dem Thema befasst hat, liegt an einer Anfrage des Standortältesten der Bundeswehr. Oberstleutnant Eike Gudat hatte vorfühlen wollen, wie die Gemeinde zu einer möglichen Benennung der Karwendel-Kaserne nach dem Bundeswehrgeneral Klaus Reinhardt stünde.

Der 2021 verstorbene Reinhardt muss als absolut untadeliger Offizier einer demokratischen Parlamentsarmee gelten. Er hat seine Karriere, die ihn auf höchste Posten in Bundeswehr und Nato führte, in Mittenwald begonnen und war unter anderem Befehlshaber der KFOR-Friedenstruppe in Kosovo. Die Bundesrepublik hat Reinhardt gleich mehrere Verdienstkreuze verliehen und könnte nun die Karwendel-Kaserne nach ihm benennen.

Das könnte sich Bürgermeister Corongiu zwar erklärtermaßen persönlich gut vorstellen, und auch im Gemeinderat habe es neulich nicht den leisesten Zweifel an Reinhart gegeben. Aber zugleich halte eine Mehrheit im Rat den Namen Karwendel-Kaserne für „eine sehr gute Wahl“, sagt Corongiu, der da nicht zu sehr ins Detail gehen mag. Schließlich habe der Rat nicht öffentlich diskutiert, auch mit Blick auf Reinhardts Familie. Über Fragen des Tourismus-Marketings sei aber jedenfalls nicht geredet worden.

Dieses Thema hat wiederum Wolffsohn aufgebracht, der bis 2012 Professor für Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München war und Reinhardt einen persönlichen Freund nennt. „Bei einer Kaserne sind Militär und Vorbilder das Thema, nicht Landschaftsbezeichnung, Tourismus- oder andere Werbung“, heißt es in dem offenen Brief, mit dem der selten um scharfe Formulierungen verlegene Wolffsohn auf den Mittenwalder Ratsbeschluss reagiert. Hier hätten „Lokalpolitiker ganz einfach keine Zivilcourage und geben unausgesprochen vor, dass Militär in diesem Tourismus-Paradies eben doch ein Fremdkörper wäre“. Wolffsohn bittet Pistorius, einzuschreiten und genau wie er, Wolffsohn, eine öffentliche Entschuldigung von denen zu verlangen, die Reinhardt „im Zusammenhang mit Ludendorff und Kübler nannten“. Das aber lässt sich angesichts der Geschichte der Kaserne schwer vermeiden und hatte sich bis zu Wolffsohns Brief im kleinen Rahmen der Mittenwalder Lokalberichterstattung gehalten.

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