Mitten in Ingolstadt:Und sie bewegt sich doch!

Mit Spott und Häme wurden Visionäre angesichts ihrer kühnen Ideen schon vor Jahrhunderten überschüttet - das ist auch heute nicht anders. Doch oft behalten die Zukunftsorientierten recht - und ihre Erfindung steigt zum Höhenflug auf

Kolumne von Johann Osel

Gut einen Monat ist es nun her, dass ein Ufo auf dem Ingolstädter Rathausplatz gelandet ist. Zumindest drängte sich die Analogie zum Weltall einigen Schaulustigen auf, als Airbus dort sein "Flugtaxi" vorstellte. Es wurde in Donauwörth gebaut und soll in Ingolstadt, als Modellregion für Luftmobilität, getestet werden. Daher hatte man auch in der Stadtpolitik der Premiere entgegengefiebert. Die Präsentation geriet zum Spektakel mit allen Ingredienzien eines Modern Talking-Konzerts, etwa künstlichem Nebel oder fetten Dancefloorklängen. Dazu grinsten Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Digital-Staatsministerin Dorothee Bär, beide CSU, um die Wette: "Cooool!" Dass die Taxi-Drohne dastand und sich keinen Meter bewegte, rief auch viel Spott hervor. Schon morgens konnte man dem Sprecher der Stadt beim Zusammenzucken zusehen, als er Lutz van der Horst von der Satire-Sendung "Heute-Show" erspähte. Dabei hätte die Drohne mitten in Ingolstadt eh nicht fliegen dürfen; es fehlen gesetzliche Regeln dafür.

Und sie bewegt sich doch! Das ist die schöne Nachricht dieser Tage, wenn man in Donauwörth nachfragt. In den nächsten Tagen steht demnach das erste Abheben an - und zwar zunächst senkrecht nach oben, ein bisschen Schweben, Landen. Gründlichkeit gehe da vor Eile, heißt es. Im Frühsommer kommt das Flugtaxi nach Manching und soll auf einem Testgelände erste Strecken fliegen. Es ist Experimentieren in einem absoluten Zukunftsfeld. Mutmaßlich 2025 könnte die kommerzielle Nutzung im öffentlichen Raum möglich sein. Bis dahin braucht es gesellschaftliche Debatten, wo diese Erfindung überhaupt nützlich sein kann und soll.

Insofern sieht man bei Airbus etwaige Häme über die Präsentation recht gelassen, auch das bringe das Thema in die Köpfe. Im Grunde ist Ingolstadt ja glimpflich davongekommen: Bei einer Computerspiel-Gala trug Bär jüngst ein knappes hellblau-rosa-pinkes Latexkleid, Scheuer ein Laserschwert. Er löste zudem Rummel mit einer Aktion zur Verkehrssicherheit aus, Plakate zeigten Halbnackte mit Fahrradhelmen. In Ingolstadt waren die Beteiligten weder frivol bekleidet noch nackt erschienen. Aber dennoch ist es beruhigend, dass das Flugtaxi-Projekt jetzt wieder in Händen der Ingenieurskunst und nicht des politischen Marketings ist.

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