Rottach-Egern:Ein Zaun gefährdet das Postkartenidyll

Blauer Himmel über dem Tegernsee

Blauer Himmel über der katholischen Pfarrkirche St. Quirinus am Tegernsee. Im Nachbarort ist die Stimmung nicht ganz so friedlich.

(Foto: dpa)

An wenigen Orten frönen Bayern lieber der Urigkeit des Freistaats, als am Tegernsee. Doch seit kurzem werden dort Metallzäune gesichtet - davon fühlt sich manch einer bedroht.

Glosse von Johann Osel

Es dürfte der Albtraum eines jeden bayerntümelnden Tegernsee-Lustwandlers sein: Da spaziert man in Rottach-Egern durchs Postkartenidyll, beginnend am Südufer des herrlichen Tegernsees, dem "bayerischsten aller bayerischen Seen", wie eine Tourismusbroschüre verheißt (was mit den Liebhabern des Chiemsees oder Königssees noch auszufechten wäre); man wandert also die rauschende Weißach entlang, bestaunt den imposanten Wallberg, macht Abstecher zu Wiesen, wo das Gras ein bisschen grüner grünt als andernorts und wo die Kühe besonders fidel muhen; man schlendert durch den Ortskern, sieht Holzgiebel, Prachtbalkone, manches Fresko.

Das macht Lust, im Trachten-Couture-Atelier einen Janker zu erstehen oder zumindest irgendwo ein weiß-blaues Schnupftabakdöschen. Ja, urig und zünftig ist es in Rottach-Egern - und dann das! Unweit des Weißachdamms steht ein Anwesen mit voluminösem Metallzaun in Grau. Das ist weder urig noch zünftig - noch erlaubt. Sondern es ist jetzt ein Politikum.

Ein Nachbar soll die Umfriedung bekrittelt haben, berichten örtliche Medien. In der Satzung der Gemeinde sind an den Straßen nur Holzzäune gestattet. So traf sich der Bauausschuss zu einem Lokalaugenschein und beschied am Ort des Frevels: Dieses Gitter-Konstrukt muss weg, weil es dem Ortsbild schade. "Die schöne, ländliche Bauweise ist doch unser Kapital", wird ein Gemeinderat zitiert, man sei nicht in der "Münchner Vorstadt". Ein anderer Lokalpolitiker fühlt sich glatt an die JVA Stadelheim erinnert.

Danach erspähten die Zaungäste ein Nachbarhaus, auch dort: Metall. "Wir dürfen nicht an zwei Anliegern ein Exempel statuieren", meinte letztlich der Bürgermeister - so ließen sich sicher weitere Beispiele im Ort finden, wo der unabdingbaren Urigkeit übel mitgespielt werde. Gemeindemitarbeiter sollen jetzt die Straßen nach und nach inspizieren und zum Zauntausch auffordern. Womöglich können Pfosten aus Metall bleiben, der Rest muss hölzern sein.

Auf Facebook wird der Zaunzwist eifrig debattiert. "Zaun bleibt Zaun" meint einer, es gebe wahrlich andere Probleme. Ein anderer lobt den Gemeinderat, der Ort werde immer "greislicher". Und man liest da auch schon die nächste Beanstandung: all die Gitter und Türen aus Metall, vor allem "an zahlreichen Nobel-Villen".

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