Mitten in Würzburg :Gelobt sei die Höflichkeit

In Frisurenfragen und wenn es um groß geratene Bauwerke aus Legosteinen geht, können Menschen an die Grenzen des guten Benehmens geraten. Nicht so der Chef der Würzburger Residenz

Kolumne von Olaf Przybilla

Vor 30 Jahren in einer Kneipe im Mainfränkischen. Der Ton ist herzlich, aber rau. Man kennt sich eben und schenkt sich nichts. Eintritt einer jungen Frau, sie setzt sich zur Runde. Die Begrüßung einer bereits anwesenden, nun ja, Freundin fällt burschikos aus: "Na, könntest auch mal wieder zum Friseur, hm?" Antwort: "Ich war erst gestern."

Will man das? Die Situation wäre übrigens noch halbwegs zu retten gewesen, trotz notdürftig unterdrücktem Gelächter, wenn die gute Freundin ihre Frage nicht hernach noch weitschweifig hätte begründen wollen. So blieb, angesichts anschwellender Peinlichkeit, nur eine Ermahnung aus der Runde. "Jetzt lass es bitte einfach. Du machst es nur noch schlimmer." Danach war Schweigen.

Frisurfragen gehören zu den kulturellen Grenzerfahrungen, muss sich der Mensch doch zwischen zwei ethischen Geboten entscheiden: Wahrheit oder Höflichkeit? Forscher wollen ja herausgefunden haben, dass selbst einwandfreie Zeitgenossen täglich Dutzende Lügen in die Welt setzen. Und wer das nicht glaubt, muss sich nur mal fragen, wie oft er "Guten Tag" wünscht oder "Freundliche Grüße" absondert. Und wie oft er das womöglich nicht so ganz wörtlich meint.

Und damit nach Würzburg, vorher aber noch ein Halt in Kitzingen. Dort hat ein Rentner in, wie man so sagt, mühevoller Kleinarbeit die Würzburger Residenz mit Lego-Steinen nachgebaut: etwa 1000 Arbeitsstunden, mehr als 1,5 Millionen Steinchen. Mehrere Medien berichteten darüber, und wie es sich in solchem Fall gehört, war der Ton von höchstem Respekt für diese Leistung geprägt. Nur wohin jetzt damit? Klar: in die Residenz!

So. Und was macht man da als Chef eines Weltkulturerbes? Der Herr über die Residenz hat sich für die höfliche Antwort entschieden. Eine "schöne Umsetzung" (wohl mit langem ööö) sei das, erklärte er der Main Post, nur leider sei in der Residenz auf Dauer "kein Platz".

Die SZ hat nun keine Mühen gescheut, um dies zu verifizieren. Und kommt zum Schluss, dass alleine die Grundfläche der Residenz größer ist als viele niederbayerische Dörfer. Kein Platz? Wie großartig.

Ist der Residenzboss folglich ein infamer Lügner? Im Gegenteil, will uns scheinen. Der Mann ist einfach ein wohl erzogener Menschenfreund. Gelobt sei er.

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