Korruptionsaffäre:Wolbergs präsentiert sich in bizarrer PR-Kampagne als Justizopfer

Prozess gegen Oberbürgermeister Wolbergs

Auf Facebook verbreitet Joachim Wolbergs regelmäßig seine Videobotschaften, und für alle, die es ganz genau wissen wollen, bietet er sogar Hausbesuche an.

(Foto: dpa)

Der suspendierte Oberbürgermeister von Regensburg bietet sogar an, bei Hausbesuchen seine Sicht im wohl größten Gerichtsverfahren Regensburgs darzulegen. Respekt vor der Justiz sieht anders aus.

Glosse von Sebastian Beck

Deutschlands bekanntestes Justizopfer heißt Joachim Wolbergs - das jedenfalls will der suspendierte Oberbürgermeister gerade den Bürgern der Stadt Regensburg weismachen. Zu diesem Zweck hat er eine PR-Kampagne in eigener Sache gestartet. Auf Facebook verbreitet er jeden Freitag seine Videobotschaften, und für alle, die es ganz genau wissen wollen, bietet er sogar Hausbesuche an. Das ist insofern bemerkenswert, weil Wolbergs Angeklagter im wahrscheinlich größten Gerichtsverfahren ist, das Regensburg jemals erlebt hat. Auf 70 Verhandlungstage war der Prozess angesetzt, und 17 liegen noch vor ihm. Danach wird ein Urteil gesprochen, gegen das er Rechtsmittel einlegen kann. Das klingt nicht nach Willkürjustiz.

Man könnte nun die Meinung vertreten, dass ein Angeklagter während eines solchen Verfahrens zumindest ein klein wenig Respekt vor der Justiz an den Tag legen müsste, auch wenn er sich teilweise zu Recht über die Staatsanwaltschaft ärgert. Wolbergs freilich hat sich für eine aggressive Form der Vorwärtsverteidigung entschieden, die unter anderem darin besteht, dass er den Oberstaatsanwalt als "Obergeschaftler" beleidigt. Er tut auch so, als sei die Untersuchungshaft willkürlich gewesen, was falsch ist: Drei Gerichte hatten sie bestätigt. Wenn es für ihn unangenehm wird, und das wird es ziemlich oft, dann kann sich Wolbergs nicht erinnern, Mails gelesen zu haben. Oder er hat halt mal nichts mitbekommen oder sich für bestimmte Sachverhalte angeblich nicht interessiert.

Unabhängig von der Frage, wie die Vorwürfe gegen Wolbergs am Ende juristisch zu bewerten sind, lässt sich festhalten: Mit dem mitangeklagten Bauunternehmer Volker Tretzel hat sich Wolbergs laut Terminkalender in sechs Jahren 88-mal verabredet. Tretzel ist derjenige, aus dessen Umfeld fast eine halbe Million Euro an Spenden für Wolbergs SPD floß. Da kann man sich fragen, warum der Oberbürgermeister mit ihm nicht gleich eine Büro- oder Wohngemeinschaft gegründet hat. Von Distanz hat er wenig gehalten. Trotz alledem erwägt Wolbergs ernsthaft eine erneute Kandidatur als OB bei der Wahl 2020. Auch wenn er anscheinend nur wenig politisches Gespür hat: Wo man das nötige Geld für den Wahlkampf bekommt, das weiß er ja.

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