Mitten in Coburg:Königliches Fleisch vom Fleische

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Vor 200 Jahren wurde Albert von Sachsen-Coburg und Gotha geboren; und das dürfte nicht nur die Klatschblattliebhaber beim Frisör interessieren. Denn die Königin von England würde unter normalen Umständen auf den wohlklingenden Namen Elizabeth Alexandra Mary von Sachsen-Coburg und Gotha hören

Kolumne von Olaf Przybilla

Friseurgespräche sind der unwiderlegliche Beweis dafür, dass die Köpfe der Haare wegen da sind, glaubte Karl Kraus zu wissen. Aber man kann den fachblattanimierten Austausch über Königshäuser schon auch mit Substanz anreichern. Dieser Montag böte Gelegenheit dazu: Vor 200 Jahren wurde Albert von Sachsen-Coburg und Gotha geboren.

Mag sich jetzt erst mal nicht wie ein Superreißer anhören. Könnte aber zum Gesprächstrumpf werden, wenn man beiläufig einfließen lässt, dass diese Dings, diese Windsors, ja doch eigentlich auch nur ganz normale Coburger sind. Und eigentlich auch heute noch so heißen würden, wäre die ganze Geschichte einigermaßen gewöhnlich gelaufen. Die amtierende Königin von England? Würde unter normalen Umständen auf den wohlkingenden Namen Elizabeth Alexandra Mary von Sachsen-Coburg und Gotha hören.

Warum die Queen stattdessen eine Windsor ist? Nun, schon im Ersten Weltkrieg haben sich Deutsche aus englischer Perspektive nicht ganz so aufgeführt, dass eine Herkunft von dort als Ruhmesblatt gegolten hätte. Als im Luftraum über England auch noch Bomber vom Typ Gotha G. IV gesichtet wurden, hielt man es 1917 für angemessen, den anglisierten deutschen Namen Saxe-Coburg and Gotha in einen Fantasienamen zu überführen. Und seither sind es eben die "Windsors", benannt nach einer Residenz des Hauses, die auf der Insel regieren.

Und die Coburger? Sind so stolz auf ihren Albert, den Gatten der Victoria, und ihr Wurzelgeflecht nach Britannien, dass sie nun Tage lang Geburtstag feiern wollen. Und nicht nur das. Ein Globe-Theater wird in Coburg gebaut, alles mit Blick auf die Insel: Könige Britanniens, ihr seid doch Fleisch von unserem Fleische!

Stimmt schon. Das Königshaus macht trotzdem einen auffälligen Bogen um Coburg. Zwar ist es etwas besser geworden in den letzten Jahren: Hier mal ein Coburger Weihnachtsbaum für London, da mal eine Schirmherrschaft für allfällige Feierlichkeiten. Aber alles immer auf Sparflamme. Warum das so ist? Nun, Coburg war die erste deutsche Nazi-Stadt. Maßgeblich beteiligt daran war ein gewisser Carl Eduard Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha. Das dunkelste Kapitel der Familie wurde wohl in Coburg geschrieben. Und nein, das Königshaus vergisst nicht.

© SZ vom 26.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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