Mitten in Coburg:Gefangen in der Zeitschleife

Den Nachfolgern bei der Arbeit zuzuschauen, kann spaßig sein, aber auch mühsam. Hilft nichts: Manch' Politiker wollen die Wähler einfach nicht gehen lassen

Kolumne von Olaf Przybilla

Keine Sorge, Georg Rosenthal muss sich keine Gedanken um seinen vom Guinnessbuch sträflicherweise ignorierten Rekord machen. Als Würzburgs neues Stadtoberhaupt 2008 vereidigt wurde, da zählte man vier Oberbürgermeister im schmucken Rathaussaal am Main: Da war zum einen er selbst, Rosenthal. Dann aber noch drei weitere Ex-Oberbürgermeister, die nach ihrer Amtszeit allesamt als Mandatsträger zurückgekehrt waren ins Rathaus. Von den 51 Stimmberechtigten im Stadtrat konnten damit mehr als 7,5 Prozent von sich behaupten, den Titel Oberbürgermeister tragen zu dürfen - das muss den Würzburgern erst mal einer nachmachen.

Damit nach Coburg, wo sie diesen Rekord bestimmt nicht brechen wollen. Wo einem nun aber der Sozialdemokrat Norbert Tessmer eine Geschichte erzählen kann, die auch nicht alltäglich ist - und fast sogar hübscher als die aus Würzburg. Tessmer war erstmals 1978 als Stadtrat angetreten, damals auf Listenplatz 39, ein hoffnungsloses Unterfangen, er scheiterte. 1984 wurde er erstmals in den Stadtrat gewählt und hatte anschließend alle Jobs inne, die einer so haben kann in der Kommunalpolitik: Erst Fraktionschef, dann Dritter Bürgermeister, Zweiter Bürgermeister und als Krönung OB. 2020 hätte Tessmer schon noch mal antreten können, wollte er aber nicht, der 66-Jährige wollte die Jugend ranlassen. Aber für die eigene Partei ein paar Stimmen sammeln auf der SPD-Liste - warum denn nicht?

Also bekam Tessmer wieder den vorletzten Listenplatz, wieder Platz 39, wie 1978. Zehn Plätze, klar, hätte er schon erwartet, gutmachen zu können, beteuert Tessmer. "Aber doch niemals 36." Es kam aber so. Und so ist der Ex-OB nun wider Erwarten erneut Stadtrat und kann seinem Nachfolger, ebenfalls Sozialdemokrat, ein wenig bei der Arbeit zuschauen.

Damit aber nicht genug. Aufgezogen hätten ihn die Genossen ja öfters damit, dass sie ihn einfach wieder zum Fraktionschef wählen, erzählt Tessmer. "Aber auch wenn Sie's mir nicht glauben: Ich habe das für 'nen Scherz gehalten." War's aber nicht. Und nun ist Tessmer also wieder Fraktionschef - wie damals 1994.

Und als nächstes kommt nun wieder Dritter Bürgermeister, dann Zweiter und so weiter - stimmt's? Das gehe schon altersbedingt nicht, beruhigt Tessmer.

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