Mitten in Coburg:Alle Tassen noch da

Eine Äußerung Michael Stoscheks neulich ließ irgendwie vermuten, dass er sich aus dem Beruflichen zurückziehen könnte. Doch der erste Eindruck war nicht ganz richtig

Kolumne von Olaf Przybilla

Im Fränkischen Tag ist kürzlich ein Interview mit Michael Stoschek erschienen, bei dem man kurz ins Schlucken geriet. Erste Frage an den Mann, der bislang als das Gesicht eines Weltkonzerns gilt: Wie stark er, Stoschek, noch in operative Entscheidungen von Brose eingebunden sei? Antwort: "Gar nicht mehr."

Das klang nun schon arg nach Abschied, Rückzug, Einsiedelei. Und bei aller leisen Kritik, die das mitunter, nun ja, gewöhnungsbedürftige Gebaren dieses Mannes in all den Jahren auf sich gezogen haben mag - etwas eng ums Herz konnte es einem da schon werden. Wer schreibt denn nun künftig diese unwiderstehlichen Leserbriefe, wer schippert mit dem Amphibienfahrzeug übern Fluss, wer wehrt sich mit Heldenmut gegen einen Strafbefehl in Höhe von schlappen 1,65 Millionen Euro, beantragt von der Staatsanwaltschaft, der ein Klebekennzeichen auf Stoscheks Porsche missfiel?

Gut, das waren so die Reflexe. Bei weiterer Lektüre aber stellte sich dann Erleichterung ein. Weil klar wurde, dass dieses Nicht-mehr-eingebunden-sein nicht zum Verstummen führen wird. Brose? Da vermisse er Unternehmertum: "Schnelle, klare, auch mutige Entscheidungen." Die Geschäftsführung wisse selbst, dass da einiges "aus dem Ruder gelaufen" sei. Der Brose-Krankenstand? Es gebe Mitarbeiter, die "wiederholt am Freitag oder am Montag nicht zur Arbeit" erschienen oder sich "wegen einer Bagatelle unangemessen lange krankschreiben" ließen. Hm.

Und in der Lokalpolitik? Da scheint Stoschek schon gar keine Ruhe geben zu wollen. Jüngst nahm er an einer Talkrunde teil, eigentlich sollte es um die städtische Hotelsituation gehen. In die Annalen freilich wird der Abend als "Coburger Schlüpferstreit" eingehen, bei dem Stoschek einen Hotelier frontal anging. In dessen Haus, monierte er, werde man beim Verlassen der Zimmer per Aufkleber erinnert, "Ersatzschlüpfer und Kondome" nicht zu vergessen. "Unmöglich" sei das!

Sein Haus sei eben liberal, wehrte sich der Hotelchef - übrigens "knechte" er auch seine Mitarbeiter nicht. Worauf ein unverständliches Geraune auf der Bühne entstand, und der Hotelier darauf laut vernehmlich fragte: "Was haben Sie gesagt: Ich habe nicht alle Tassen im Schrank?"

Stoschek widersprach dem nicht. Ach, wie schön: Er bleibt ja doch ganz der Alte.

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