Mitten in Bayern:Zieleinlauf im Rathauskeller

In Garmisch-Partenkirchen träumt man gern von etwas Großem. Und so sollte die Prozellanfigur einer Skifahrerin mit wehendem Schal einen Brunnen zieren. Die Figur liegt jetzt im Rathauskeller, der Brunnen war zu teuer

Von Heiner Effern

Das ausgeprägte Selbstbewusstsein der Garmisch-Partenkirchner speist sich nicht nur aus der Lage an den hohen und zweifellos auch wunderschönen Bergen. Dass sie ihren Ort noch heute mehr als mondänes Voralpen-St.-Moritz ansehen denn als Kleinstadt am finanziellen Abgrund, liegt auch an den großen Persönlichkeiten, die in Garmisch-Partenkirchen wohnten. Man denke an den Komponisten Richard Strauß, der Garmisch-Partenkirchen zu einem schmissigen Festival inspirierte. An den Schriftsteller Michael Ende, der es immerhin zum Namensgeber für den Kurpark gebracht hat. Oder an Josef Wackerle.

Wackerle? Menschen, die nicht im Werdenfelser Land aufgewachsen sind oder sich intensiv mit bemaltem Porzellan auseinandersetzen, werden jetzt mal schnell googeln müssen. Der Rest der Welt weiß jedoch, dass dieser Garmisch-Partenkirchner schon in jungen Jahren künstlerischer Leiter der Nymphenburger Manufaktur wurde. Er soll Anfang des 20. Jahrhunderts gar eine junge Dame aus Porzellan geschaffen haben, der man auf frivole Weise unter den Rock blicken konnte. Und was wäre Wackerle für ein Werdenfelser, wenn er nicht auch eine Frau beim Skifahren porträtiert hätte. Mit wehendem weißen Schal.

Skifahrerin, Künstler, Garmisch-Partenkirchen. Diese Kombination reichte bis zur letzten Kommunalwahl aus, um große Pläne zu schmieden. Flugs wurde bei den Nymphenburgern ein 1,4 Meter hohes Abbild dieser Figur bestellt, als Zierde eines Brunnens, der die kommenden Generationen an die zweifellos beste Ski-WM aller Zeiten erinnern sollte. Die fand ja bekanntlich 2011 auf der Kandahar und am Gudiberg statt. 25 000 Euro kostete die Skifahrerin aus Porzellan, doch sie lässt ihren Schal nicht wie geplant am Marienplatz wehen. Den Brunnen für insgesamt wohl 300 000 Euro kann sich Garmisch-Partenkirchen nicht leisten. Der damalige Bürgermeister Thomas Schmid, an Selbstbewusstsein seinen Bürgern noch deutlich voraus, ist längst über alle Berge. Ein kleiner Teil seines Erbes liegt nun gut verpackt im Keller des Rathauses. Dort soll sich nun mancher neue Gemeinderat heimlich umgesehen haben. Nur um zu wissen, was ihn noch alles erwartet.

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