Mitten in Bayern:Wouhoou zwischen Schrank und Brecht

Man will ja gerne fit bleiben in Krisenzeiten, nur wie? Die Fitnessstudios haben geschlossen und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Gut, dass Trainerin Karoline virtuell nach Hause kommt. Wenn nur mehr Platz wäre zum Zumba

Kolumne von Johann Osel

Neulich also doch der Selbstversuch: Zumba im Arbeitszimmer, Trainerin Karoline wird zugeschaltet aus dem Fitnessstudio. Lange hat man sich dagegen gesträubt, die südamerikanische Tanzgymnastik nach Hause zu holen, weil die kleine Sportfläche, die man für das Training mit Matte und Hanteln zwischen Kleiderschrank und Bücherregalen freigeräumt hat, wohl nicht reicht für derlei Spektakel. Vorneweg: Sie reicht nicht. Versucht man den Schritten der Vorturnerin zu folgen, stößt man ständig irgendwo an; Bertolt Brecht gerät gar ins Wanken, konkret die zwanzigbändige Gesamtausgabe, die einige Bücher aus dem Schuber plumpsen lässt. Karoline brüllt schon beim stationären Zumba viel und laut, "yeaaöh" und "wouhoou", ihre Online-Kunden aber scheint sie besonders anfeuern zu müssen. Gelächter auf Nachbarbalkonen. Nach einer Stunde ist zwar das Shirt verschwitzt; irgendwie ist diese Ferngymnastik aber doch suboptimal.

Ob Hopsen oder Pumpen - nichts geht momentan in Bayerns Fitnessstudios, im Netz versuchen die Betreiber, Mitglieder zu halten. Theoretisch könnten Kunden sagen: Keine Leistung, kein Beitrag, was vor allem für kleine, inhabergeführte Studios der Auftakt zum Ruin wäre. Horcht man sich um im Freistaat, zahlen Stammkunden meist weiter (und erhalten oft Freimonate für später), weil sie sich nach der Krise den Bestand des Fitnessstudios in ihrer Nachbarschaft wünschen; Probleme bereiten eher die "Karteileichen": Mitglieder, die aus Innerer-Schweinehund-Gründen eh nie kommen, von denen Studios aber gut leben - und die akut nicht auf die Option verzichten wollen, trainieren gehen zu können, wenn sie denn wollten. Die Betreiber dürsten nach einer Öffnungsperspektive. Dass in den Fahrplänen des Ministerpräsidenten die Branche gar nicht auftauchte, ärgert viele. Zumal Hygienekonzepte erarbeitet wurden; und in NRW am Montag Studios wieder öffneten, weitere Länder schicken sich an.

Man sei "systemrelevant", so der Chef eines Wasserburger Studios und verweist auf die "Stärkung des Immunsystems". Andernorts heißt es: Stammkunden seien meist jung und in der älteren Generation fit - keine Risikogruppen. Oder: Wenn nach der Krise die Leute eine dicke Wampe trügen, habe keiner was davon. Abhilfe bietet da erst mal Karoline. Wouhoou!

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