Mitten in Bayern:Wirte beim Würstelschnappen

Dorfwirtshäuser dürfen nicht zusperren müssen. Das wollte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger eigentlich erreichen. Tatsächlich trieb er Wirtsleute nur an die Computer

Kolumne von Johann Osel

Nervenaufreibend soll jener Vormittag im Mai gewesen sein, als Mutter und Tochter sich an den Computer hockten - und ihre Gedanken wohl schon um den Geldsegen aus München kreisten. Monika Schweizer und Anna Schwarz vom Berggasthof Zottling im Landkreis Regen wollen den Stadl neben dem Gasthaus für Hochzeiten und Familienfeste ausbauen, barrierefrei, damit die Gäste auch mit dem Rollator gut hineinkönnen. 40 Prozent der Investition könnte der Freistaat beisteuern - über das Programm zur Gaststättenmodernisierung, mit dem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger das Sterben der Dorfwirtshäuser stoppen möchte. In Orten mit weniger als 100 000 Bürgern und für Betriebe unterhalb gewisser Nettoumsätze können Mittel für Umbauten oder Sanierung fließen; 2019 sind 15 Millionen Euro eingeplant.

Um den Gasthof Zottling ist es, wie der BR berichtet, zwar nicht schlecht bestellt, zumal kulinarisch; aber ohne Zuschuss gibt es wohl keinen Stadl nebenan. Also warteten die Frauen um Punkt 10 Uhr, bis die Antragsseite freigeschaltet war, füllten rasch alles aus. Um 10.23 Uhr waren sie fertig - zu spät, Annahme verweigert. Nun kochen sie weiter Wiesenkräutertortellini in Nussbutter und Rehburger und warten ab. Andernorts freut man sich derweil über neues Mobiliar im Stüberl, ein Salatbuffet im Gastraum, manches Kühlhaus wird Aiwanger sponsern. Zum Zuge kam, wer flink war an der Tastatur. Nach Auswertung aller Anträge soll ein zweiter Aufruf mit Restmitteln kommen, meldet das Ministerium. Man habe "ins Schwarze getroffen", wie die Nachfrage zeige. Der Hotel- und Gaststättenverband sieht das als Symptom von "Investitionsstau".

Bei den Gescheiterten dagegen keimt Frust auf, man liest ihn quer durch die Lokalpresse. 23 Minuten Zeit sei eine "Sauerei", wie "Würstelschnappen" beim Kindergeburtstag, meint ein Wirt. Andere sagen, Steuerlast und Bürokratie seien die eigentlichen Probleme der Branche. Viele stören sich am Gießkannenprinzip. Tatsächlich ist die Idee an sich gut: Stirbt das Wirtshaus, stirbt der Ort, heißt es oft. Das hätte man strategisch anpacken können: Wirte erstellen mit Gemeinden und Vereinen, die das Gasthaus als soziale und kulturelle Mitte brauchen, Zukunftskonzepte und bewerben sich. Ein Salatbuffet rettet sicherlich kein kriselndes Gasthaus.

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