Mitten in Bayern:Finsternis im Bayerwald

Das Motto von Waldmünchen lautet "sonnenklar", doch aktuell hält man in der Stadt einen anderen Titel: den als dunkelsten Ort Deutschlands. Das kann auch inspirierend sein.

Glose von Maximilian Gerl

Es gibt Preise, die kann man gewinnen und sich trotzdem nichts von ihnen kaufen. Die vielleicht bekannteste Prämierung dieser Art kennt die Fußball-Bundesliga in Form des Herbstmeisters: ein erst mal aufsehenerregender Titel, der aber bei näherem Hinsehen seinem Träger keine Schale einbringt - dafür aber am Saisonende Frust, sollte er den tabellarischen Vorsprung nicht als Erster ins Ziel gebracht haben.

Über eine ähnlich zweifelhafte Auszeichnung darf sich nun Waldmünchen im Landkreis Cham freuen: Der Ort gilt als dunkelster in ganz Deutschland. Denn laut einer Bilanz der ersten Winterhälfte soll seit Anfang Dezember nirgendwo sonst die Sonne so wenig geschienen haben, nämlich nur rund 30 Stunden. Damit erfüllt Waldmünchen sein Wintersonnensoll erst zu 16 Prozent. Das ist nicht besonders viel, vor allem eingedenk des Mottos "sonnenklar", das unter anderem auf der Website der Stadt begrüßt. Dem BR versicherte der Bürgermeister zwar noch, dass es gefühlt nicht besonders dunkel gewesen sei in Waldmünchen. Doch die Kunde vom finsteren Bayerwaldstädtchen hatte da schon das Licht der Nachrichtenwelt erblickt. Sogar das örtliche Nachrichtenportal Idowa konnte sich anscheinend einen Seitenhieb nicht verkneifen und titelte: "zappenduster".

Wer den Schaden hat, braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen. Die Waldmünchner können sich deshalb auch wenig vom mehrfach genannten Hinweis kaufen, dass die Tage wieder länger werden, also selbst bei ihnen irgendwann mehr Licht einkehrt. Dabei kann doch das Dunkle - und mit ihm das Kalte - auch anregend sein. In dieser Hinsicht hat der gerade im Winter so leidenschaftlich düstere Bayerwald schon manchen Künstler inspiriert. Der Dichter Adalbert Stifter etwa beobachte dort einen Schneesturm biblischen Ausmaßes, der die ihm sichtbare Welt nachhaltig verdunkelt haben muss: "Es war ein Gemische da von undurchdringlichem Grau und Weiß, von Licht und Dämmerung, von Tag und Nacht, das sich unaufhörlich regte und durcheinander tobte." Für Jüngere sei auf die Rapper vom Fichtenkartell und ihre Heimathymne "Woid oida" verwiesen. "Ich bin ein Bua ausm Bayerischen Wald", heißt es darin, "da ist's ein Dreivierteljahr Winter und ein Vierteljahr kalt."

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