Mitten in Bayern:Vergessene Fluchten

Dem ganzen Corona-Wahn mal entkommen. Davon träumen viele. Escape Rooms helfen da nicht - noch nicht

Kolumne von Florian Fuchs

Medizinisch betrachtet klingt die Sache nicht gut: Eine Stunde haben die Spieler im Escape Room in Memmingen, um zu entkommen - sonst geht der Sauerstoff aus. Das hat man nun davon, wenn man die ewige Ruhe von Tutanchamun stört: Der Eingang zur Grabstätte ist versperrt, keiner kommt mehr raus. Es sei denn, die bis zu sechs Spieler lösen innerhalb von 60 Minuten alle anstehenden Rätsel und öffnen die Eingangstür wieder.

Natürlich handelt es sich hierbei nicht um echte Grabkammern, und der Sauerstoff geht auch nicht wirklich aus. So eine Flucht ins alte Ägypten jedoch - und sei es einfach ein Spiel - erscheint recht verlockend in diesen Zeiten. Eskapismus ist angesagt, den ganzen Corona-Quatsch mal für eine Stunde vergessen. Die sogenannten Escape Games, die es inzwischen in Bamberg wie in Augsburg, in Nürnberg wie in Passau über ganz Bayern verteilt gibt, stehen dafür aber leider nicht zur Verfügung: Sie sind weiterhin von den gesetzlichen Einschränkungen betroffen und dürfen nicht öffnen. Die Betreiber im Freistaat finden das reichlich absurd und haben der Staatsregierung gemeinsam einen Brief geschrieben, in dem sie ihre Wiedereröffnung fordern. Bessere Voraussetzungen für Hygienemaßnahmen gibt es ja tatsächlich nicht: ein abgeschlossener Raum, maximal sechs Spieler aus zwei Haushalten. Und der Raum, in dem die Spieler Rätsel lösen, ist abgetrennt, die Kommunikation mit den Spielleitern erfolgt digital. Die Betreiber der auch Exit Games genannten Spiele haben das Gefühl - wie übrigens viele in der Freizeitbranche - von der Politik vergessen worden zu sein. Warum Spielhallen bereits wieder öffnen durften, in denen Zocker ihr Geld verdaddeln, ist ihnen ebenfalls schleierhaft.

Neben dem Pharaonengrab, aus dem man entkommen muss, gibt es noch viele andere Settings für die Spiele, vom verlassenen Hotel bis hin zur problematischen Mondmission. Vielleicht sollten sich die Betreiber einfach eine neue Kulisse mit einer neuen Geschichte als Rahmen ausdenken: "Die Suche nach dem Impfstoff". Wer in 60 Minuten alle Rätsel löst und den Impfstoff findet, hat wahrlich alle Probleme gelöst. Der Politiker, der diesem Spiel die Erlaubnis verweigert, muss erst noch gewählt werden.

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