Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Quatschi-Quatschi im Mäusekino

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Sollte Horst Seehofer einst seine Memoiren schreiben, will er die Hilfe eines Ghostwriters beanspruchen. Der müsste ein Kapitel unbedingt den Wortschöpfungen des früheren CSU-Chefs widmen

Kolumne von Wolfgang Wittl

Für den Fall, dass Horst Seehofer sein Versprechen wahr macht und eines Tages seine Memoiren zu Papier bringt, hat er vorsorglich eine Stellenbeschreibung formuliert. Wer die Aufgabe des Ghostwriters übernehmen wolle, möge sich bitte melden, sagte Seehofer einmal. Er sei zwar selbst des Schreibens mächtig, aber da müsse schon ein Profi ran. Er wünsche sich eine klare, verständliche Sprache und einen dramaturgisch spannenden Aufbau. Um den Inhalt müsse sich der Schreiber weniger Sorgen machen, denn er, Seehofer, habe ja zum Glück alles wichtige Material von der ersten Minute an gesammelt. Weshalb so mancher in der CSU bei Seehofers Memoiren nicht nur an ein Versprechen denkt, sondern eher an eine Drohung.

Wer immer Seehofers Erinnerungen notiert, sollte ein Kapitel unbedingt unterbringen: Seehofer, der Linguist. Wie kaum ein anderer Politiker hat er fleißig Wortschöpfungen kreiert - oder den ursprünglichen Wortsinn in neue Zusammenhänge gestellt. Parteifreunde mutierten zu "Pyjama-Strategen" (nahezu die gesamte Landtagsfraktion) oder "Glühwürmchen" (Karl-Theodor zu Guttenberg). Sie beteiligten sich an "Schmutzeleien" (Markus Söder) oder an "Quatschi-Quatschi" (Kabinettsmitglieder). Für Kollegen mit beschränkter Sichtweise reservierte Seehofer einen Platz im "Mäusekino", manche Dinge wiederum verstaute er im "Gefrierschrank" seines Reihenhauskellers (Umfragewerte, Personaldebatten). Und wer als "Tarnkappenbomber" unterwegs war, warf bei Journalisten unliebsame Widerworte ab, ohne dafür mit seinem Namen geradezustehen.

Mit dem Fachterminus "Prinzlinge" schaffte es Seehofer vor ein paar Jahren sogar, seine Partei in helle Aufregung zu versetzen. Gemeint waren alle CSU-Bezirksvorsitzenden, die mehr als 90 Prozent erhielten und somit automatisch für seine Nachfolge als Parteichef infrage kämen. Wie man heute weiß, ist Seehofers Plan, dass sich die Erben im Wettbewerb neutralisieren, nicht ganz aufgegangen. In diesem Sommer wurden die CSU-Bezirkschefs erst wieder gewählt, selten in solcher Unaufgeregtheit und Ruhe. Aber mal ehrlich: Kleinere Schmutzeleien oder wenigstens ein bisschen Quatschi-Quatschi hätten der Unterhaltsamkeit im Mäusekino bestimmt nicht geschadet.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2019
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