Mitten in Bayern:Neu-Ulm schrumpft

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Der Landkreis tritt ein Gebiet ab - eine Seltenheit im Freistaat

Kolumne von Florian Fuchs

Da überstehen sie unbeschädigt den "Nuxit", die Abspaltung der Stadt Neu-Ulm, verteidigen vehement ihre Einheit und ihren Boden, und dann das: Der Kreisausschuss des Landkreises Neu-Ulm stimmt einer Änderung der Landkreisgrenze zu und tritt damit einen Teil seines Hoheitsgebiets an das Unterallgäu ab. Circa 240 Quadratmeter futsch, einfach so: quasi ein Reiheneckhaus mit handtuchgroßem Vorgarten, allerdings für landwirtschaftliche Nutzung. Was haben sie gekämpft, damit die Stadt Neu-Ulm weiter zum Landkreis Neu-Ulm gehört und keine kreisfreie Stadt wird, dann sind sie vom Freistaat erhört worden, und nun geben sie fast kampflos klein bei: An der Grenze zwischen der Gemeinde Pleß im Unterallgäu und Kellmünz im Landkreis Neu-Ulm hat ein Landwirt seinen Grund verkauft, und weil der neue Landwirt sein Gebiet gerne nur in einem Landkreis verwalten würde, soll sich Neu-Ulm nun verkleinern. Das Unterallgäu hat zugestimmt, Neu-Ulm nun auch, jetzt muss die Regierung von Schwaben die Grenzänderung absegnen.

In Ermershausen zum Beispiel können sie nur den Kopf schütteln über die Neu-Ulmer. Nie hätten sie sich in Unterfranken was wegnehmen lassen, mehr als 15 Jahre kämpften sie, als sie der Freistaat mit der Gebietsreform 1978 in die Gemeinde Maroldsweisach eingegliedert hat. Mehrere Hundertschaften von Bereitschaftspolizisten marschierten auf, über die Jahre boykottierten die Ermershausener Wahlen, bis der Innenminister Edmund Stoiber in den Neunzigern ein Einsehen hatte und das widerstandsfähige unterfränkische Dorf erneut eigenständig werden ließ.

Vielleicht ernennen sie bald den Neu-Ulmer Kreisrat Heinz-Peter Ehrenberg von den Grünen zum Ermershausener ehrenhalber, ist er doch der einzige, der sich gegen den Plan der Landwirte gestemmt hat. Einen immensen Verwaltungsaufwand produziere das, kritisierte er laut Neu-Ulmer Zeitung, und überhaupt: die Kosten! Der Kämmerer erläuterte dann, dass die Kosten die Landwirte schon selber tragen, Heinz-Peter Ehrenberg aber ließ sich nicht erweichen. Während alle Räte im Kreisausschuss für die Verkleinerung stimmten, verweigerte er trotzdem das Ja. Seine schöne Begründung: "I hab' koi Lust."

© SZ vom 15.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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