Mitten in Bayern:Man spricht english

Servus und griasdi sind in Bayern immer seltener zu hören. Zum Glück erleben die Grüß-Formeln gerade einen Aufschwung, denn die Menschen aus Eritrea, Afghanistan und dem Senegal, die nach Bayern gekommen sind, beleben die alte Tradition neu

Von Hans Kratzer

Früher sind einem Radlfahrer auf dem Land höchstens ein paar Bulldogfahrer oder Rindviecher begegnet. Heute sind auf den Feld- und Radlwegen Menschen aus Eritrea, Afghanistan und aus dem Senegal unterwegs, aber noch erstaunlicher ist, dass viele von ihnen mit einem landesüblichen Servus oder Griasdi grüßen. Man könnte fast glauben, die vom Niedergang bedrohte bairische Sprache nehme ausgerechnet durch Asylbewerber vom anderen Ende der Welt einen neuen Aufschwung. Für die sprachliche Tradition im Freistaat wär's ein Segen, da sich ja die bayerische Upperclass und die Schwarzen aus der Politik viel lieber das Englische heraushängen lassen. Auch wenn immer noch die Hälfte der bayerischen Bevölkerung des Englischen nicht mächtig ist.

Sepp Kammermeier, dem Bürgermeister des in der Nähe von Cham gelegenen Marktes Eschlkam, ist die in den bayerischen Ministerien grassierende Englischsucht kürzlich so sauer aufgestoßen, dass er seinen Grant unbedingt loswerden musste. Nachdem ihn das Wirtschaftsministerium zu einem Get-together (gemütliche Party) eingeladen hatte, war Kammermeier über diesen "Wortunsinn" not amused und trat einen persönlichen Shitstorm in Richtung München los. In einem Schreiben teilte er der Ministerin Ilse Aigner mit, er werde am Get-together nicht teilnehmen, "weil ich nicht weiß, was ein Get-together ist". Nach wie vor sei in Bayern die Amtssprache Deutsch, pulverte Kammermeier, der Ausverkauf der deutschen Sprache werde offenbar schon in den Ministerien praktiziert.

Das in diesem Falle durchaus putzige Wörtlein "schon" weist darauf hin, dass Kammermeier weit entfernt von München residiert und nicht mitbekommen hat, wie eifrig sich die bayerischen Ministerien unter Verwendung von englischer Prosa an die Global Player anheften. Bedauerlicherweise haben sie dabei die sprachliche Orientierung verloren, denn das Wirtschaftsministerium hält Get-together tatsächlich für ein deutsches Wort. Jedenfalls schrieb das Pressereferat an Kammermeier zurück, das Wort stehe so im Duden und habe sich im deutschen Sprachgebrauch etabliert: "Insofern haben wir uns an die deutsche Amtssprache gehalten."

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