Süddeutsche Zeitung

Tirschenreuth:Liebespaar häuft kiloweise Chemikalien an - Hotelpersonal ruft Polizei

Spezialkräfte rückten aus, das Paar wurde festgenommen. Doch die beiden wollten weder eine Bombe bauen noch Drogen herstellen.

Kolumne von Andreas Glas

Um den Spannungsbogen nicht direkt kaputtzumachen, muss man im Kalender zwei Wochen zurückblättern und die Geschichte von Anfang an erzählen. Der Neue Tag hat genau recherchiert, wie die Aufregung losgebrochen ist. Es war Ende Oktober, als das Personal einer Hotelanlage in Erbendorf (Kreis Tirschenreuth) beunruhigt beobachtete, wie sich ein Liebespaar paketweise Chemikalien in seine Ferienwohnung liefern ließ.

Einer der Beunruhigten rief die Polizei, die ebenfalls unruhig wurde und eine Mannschaft an Einsatz- und Spezialkräften aus Weiden, Amberg, Regensburg, Waidhaus und München anforderte. In der Ferienwohnung fanden die Polizisten einen Zehn-Liter-Kanister Aceton, fünf Liter Essigsäure, Salpetersäure, Wasserstoffperoxid, Wasserstoffsäure, dazu Kräuter, Kupfer und Platin. Hört sich an wie die Rezeptliste eines Drogenkochs. Oder noch schlimmer: eines Bombenbauers. Gott behüte!

Nach der Festnahme des Paares geht der Spannungsbogen dieser Geschichte zwar sehr schnell und sehr steil nach unten - dafür aber saust der Zeiger der nach oben offenen Oha-Skala mit Karacho in die Höhe. Der Kripo hat das Liebespaar nämlich erzählt, dass es keine Drogen herstellen wollte und keine Bombe, sondern, oha!, ein Lebenselixier. Einen Zaubertrank also, der ewige Jugend verleiht. Und tatsächlich: Bei den Ermittlungen stellte sich raus, dass der Kripo keine Kriminellen ins Netz gegangen waren, sondern gnadenlose Romantiker - jetzt mal abgesehen von dem Gras, das die Romantiker während ihrer Zaubertrank-Experimente geraucht haben sollen. Ansonsten sei aber alles legal gewesen, teilte die Polizei an diesem Donnerstag mit.

Das Paar ist längst wieder frei, ist aus der Ferienwohnung ausgezogen und alles deutet darauf hin, dass die beiden die Oberpfalz verlassen haben, um sich ein neues Domizil für ihre Forschungen zu suchen. Zurück bleibt die Theorie, dass sich das Paar ganz gezielt den Kreis Tirschenreuth als Labor ausgesucht hatte. Schaut man sich den Altersschnitt in Tirschenreuth an, hätte dem Landkreis ein bisschen ewige Jugend jedenfalls ganz gut getan. Zugegeben, die Theorie ist ziemlich albern. Aber romantisch ist sie halt schon.

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Quelle:
SZ vom 10.11.2017/axi
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