Mitten in Bayern:Immer Sommer in Neu-Ulm

Am Bahnhof der Stadt geht eine Uhr um eine Stunde vor. So einfach lässt sich der Zeiger aber nicht zurückdrehen

Kolumne von Florian Fuchs

Leider halten sich am Bahnhof Neu-Ulm selten Kühe auf, die hätten sonst seit Herbst das schönste Leben dort gehabt. Kühe haben es ja nicht so mit der Zeitumstellung. Immer, wenn es wieder so weit ist, muhen sie und beklagen sich. Das ist auch irgendwie verständlich: Wenn das Futter plötzlich eine Stunde zu spät kommt, beschwert sich der Hotelgast auch beim Management. Der Bahnhofsvorplatz in Neu-Ulm musste deshalb zuletzt als Paradies gelten bei allen Kühen im Freistaat: Da hatten sie es schlicht vergessen, die Uhr auf Winterzeit anzupassen. Bis kurz nach dem Jahreswechsel hat sie noch Sommerzeit angezeigt.

Gerüchte, wonach die bayerischen Milchviehhalter hinter der Panne stecken oder doch eine Studie der Europäischen Union zur Abschaffung der Zeitumstellung, sind nach eingehender Recherche als haltlos entlarvt. Auch die Deutsche Bahn weist jede Schuld von sich, sie ist - mal wieder - zu Unrecht der Schlamperei verdächtigt worden. Eine Passantin hatte sich bei der Lokalpresse beschwert: "Trotz mehrfachen Anrufen bei der Bahn ändert sich nichts", schimpfte sie. Bis sich ein DB-Sprecher erbarmte und ankündigte, dass die entsprechende Uhr repariert werde. Das war echter Kundenservice, "jetzt könnte alles ganz schnell gehen", frohlockten die Lokalmedien. Bis sie bei der Deutschen Bahn bemerkten, dass sie doch nichts reparieren werden, weil die Uhr gar nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich steht. Zuständig sind die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm. Und die haben nicht einfach die Zeiger der Uhr eine Stunde zurückgeschoben. Die haben sie bis zur Lösung des Problems erst einmal verhängt.

Wahrscheinlich diente die Aussetzung der Winterzeit einfach der Verkehrssicherheit, was an einem Bahnhof mit seinen Pendlern nicht die schlechteste Idee ist. Zur Sommerzeit, diesen Schluss legen verschiedene Untersuchungen nahe, passieren weniger Unfälle. Insofern wäre es vielleicht ganz praktisch, wenn sich andere Städte oder eben doch gleich die Europäische Union ein Beispiel an Neu-Ulm nehmen würden: Kühe und Verkehrsteilnehmer würden es ihnen danken.

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