Mitten in Bayern:Her mit den kleinen Krankenhäusern!

Jahrelang war es das Ziel der Regierung, die Zahl der Betten in Kliniken zu reduzieren. Angesichts der Corona-Krise fühlt sich nun mancher Gegner der Pläne bestätigt. Und einige geben noch nicht auf

Kolumne von Dietrich Mittler

Viele Krankenhäuser in Bayern haben angesichts des Vergütungssystems selbst ein gesundheitliches Problem. Mindestens die Hälfte von ihnen ist defizitär und hängt am Tropf der Träger. Bis vor kurzem lautete die Devise "Bettenabbau, weg mit den kleinen Häusern". Doch dieser Ruf ist augenblicklich verstummt. Angesichts der Corona-Krise ist jedes Bett, jede Versorgungsmöglichkeit willkommen. Und wenn der befürchtete Ansturm an Patienten tatsächlich eintritt, und die vorhandenen Klinik-Kapazitäten nicht mehr ausreichen, will Ministerpräsident Markus Söder (CSU) notfalls sogar Hotels und große Messe-, Sport- und Konzerthallen zu Krankenstationen umrüsten lassen.

Vermutlich etliche Bürger in Bayerns ländlichen Regionen werden sich jetzt wünschen, sie säßen in einer Zeitmaschine und könnten zu jenem Tag zurückreisen, an dem die Schließung ihres kleinen Krankenhauses beschlossen wurde. Warnend würden sie da mit lauter Stimme fordern: "Lasst uns doch wenigstens die hier vorhandenen Intensivplätze erhalten - uns droht eine Pandemie, ausgelöst durch einen hochgefährlichen Erreger!" Aber vermutlich würden auch solche Warnungen missachtet. So wie bereits jene, mit denen die Bürgeraktivisten verhindern wollten, dass ihr Krankenhaus schließt. Vor allem die Hersbrucker haben da ihre Erfahrungen gemacht.

Aber zurück in die Gegenwart: Angelika Pflaum, die in ihrer mittelfränkischen Heimatstadt den Widerstand gegen die Klinikschließung mit organisiert hat, gibt den Kampf noch nicht auf. Ministerpräsident Söder hat nun Post von ihr bekommen. "Wäre unser Krankenhausgebäude nicht besser geeignet wie eine Messe- oder Sporthalle?", schreibt sie da. Immerhin gebe es ja auch noch die Räumlichkeiten der verlassenen Intensivstation - "bis vor zwei Jahren noch mit sechs Betten". Und Herr Söder, so Pflaum, möge sich doch bitte vorstellen, "wir hätten in der Bundesrepublik nur noch 6oo Krankenhäuser, so wie es von der Bertelsmann Studie angedacht ist". Doch der Blick in die Krankenakte der kleinen Landkrankenhäuser lässt eher Folgendes befürchten: Ihr Exitus wird aufgrund der Corona-Krise vorerst hinausgezögert - Wiederbelebung geschlossener Häuser indes unerwünscht!

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