Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Ein bisschen Theaterdonner

Zurzeit häufen sich die publikumswirksamen Auftritte im Politik-Betrieb. Die Verteilung von Haupt- und Nebenrollen wird dabei allerdings höchst unterschiedlich interpretiert

Glosse von Katja Auer

Der Spielplan im politischen Theater ist monothematisch zurzeit, das Drama um die Selbstentleibung der Union lässt keinen Platz für Nebenrollen. Pandemie ist zwar auch noch, Stoff genug eigentlich für die Bühnen, auch wenn die deswegen geschlossen wurden, aber selbst deren Jahrhundertrelevanz betonen momentan nur die Rufer aus dem Off. Alle Scheinwerfer sind auf den Zweikampf in der Arena gerichtet.

Man könnte beinahe vergessen - Markus Söder tut auch alles dafür -, dass es in Bayern noch mehr Akteure gibt als die eine Hauptfigur. Im Freistaat regiert eine Koalition oder zumindest sitzen Menschen einer anderen Partei mit im Kabinett. Deren Hauptrolle, Hubert Aiwanger, tut zwar alles dafür, seine Freien Wähler als wahrhaft bedeutungsvoll darzustellen und sich selbst am bedeutungsvollsten, tatsächlich aber unterwirft sich der Koalitionspartner dem Ministerpräsidenten genauso wie dessen eigene Partei.

Gerade hat die Koalition die erste Hälfte der Legislaturperiode hinter sich; eine ernsthafte Bilanz lässt sich kaum ziehen, da die Corona-Krise das Regierungshandeln bestimmt. Recht frei von Selbstzweifeln nennen sich die FW dennoch "Taktgeber der Staatsregierung" und kündigen für den Freitag ein entsprechendes Fazit des ersten Aktes ihrer "Erfolgsstory" an. Der Spannungsbogen ist nicht allzu steil, ein bisschen Theaterdonner ist aber doch, immerhin haben die Freien Wähler gerade eine Verfassungsklage angekündigt. Gegen die Corona-Notbremse der Bundesregierung - an der bekanntlich auch die CSU beteiligt ist, also der bayerische Koalitionspartner der FW.

Hui, droht da ein Eklat, immerhin haben die Freien Wähler die bayerischen Anti-Corona-Maßnahmen stets mitgetragen? Der CSU-Generalsekretär schimpft dann auch qua Amt ein bisschen und der Gesundheitsminister verteidigt die Ausgangssperren. Aber sonst? Weiß man vermutlich in der CSU, dass Aiwanger zwar gerne ausspricht, aber hernach doch klein beigibt, wenn er nur weiter mitregieren darf. Die Statistik ist auch nicht unbedingt auf seiner Seite, die Erfolgsquote bei Verfassungsbeschwerden in den vergangenen zehn Jahren liegt nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts bei durchschnittlich 1,88 Prozent. Das sieht nicht nach einem großen Auftritt aus.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2021
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