Mitten in Bayern:Die lange Nacht der Ausreden

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"War beim Saufen" - das reicht nicht als Begründung für einen Verstoß gegen die Ausgangssperre

Glosse von Johann Osel

Als im Frühjahr der "triftige Grund" in den Sprachschatz der Menschen einzog, weil ein solcher zum Verlassen des Hauses gefunden werden musste, gab es in Polizeimeldungen allerlei Kuriositäten zu beschmunzeln. Ein Favorit in der Liste der besten Ausreden: dem Chef einen Streich spielen. Ein in die Jahre gekommener Lausbub Anfang 30 aus Kempten sah sich dazu veranlasst, weil der Vorgesetzte das Auto beim Entladen mit Warnblinker und steckendem Schlüssel parkte. Also flugs umgeparkt, hihi hoho, just da kam die Polizei und betonte, Streiche und Schwänke jeglicher Art seien nicht von der Infektionsschutzverordnung gedeckt. Die Streitfrage mit dem triftigen Grund, der nun wieder tagsüber gilt, hat sich mit der Zeit eingependelt - schließlich hatte Innenminister Joachim Herrmann huldvoll klargestellt, dass man sehr wohl allein auf einer Parkbank ein Buch lesen dürfe. Zudem konnte man ja stets sagen, man sei auf dem Weg zum Einkaufen, weil man dringend und unverzüglich einen Zigarrenabschneider benötigt, ein Dampfbügeleisen oder das neueste Exemplar der Zeitschrift Coupé.

Ungleich strenger geregelt ist jetzt allerdings die nächtliche Ausgangssperre ab 21 Uhr. Zwar halten sich die Bürger recht diszipliniert daran, vielerorts gibt es dennoch Bußgelder. Das Motto: die lange Nacht der Ausreden. Zigarettenholen, Geldabheben, Heimweg von Bekannten und Spazierengehen sind Klassiker - allesamt nicht gestattet, es sei denn, man hat einen Hund dabei. Angeblich soll mancher Hundebesitzer mit dem nächtlichen Verleih seines Tiers schon Nebenverdienste erzielen. Ebenso die Krise monetarisieren will jener Pfiffikus, der die Jacke eines Essenslieferdienstes im Netz verhökert. Die kalte Pizza, die der angebliche Lieferjunge bräuchte, ist nicht inklusive.

Was ebenfalls kein Grund für nächtlichen Ausgang ist, den aber die Polizei in Regensburg registrierte: "War beim Saufen." Zwar mag man meinen, dass ein gelegentlicher Schwips gut durch die Krise helfen könnte. Das Regelwerk aber kennt da keine Gnade. Das erfuhr auch ein Pärchen aus dem Kreis Miltenberg. Die beiden machten sich vorschriftsgemäß um 20 Uhr auf den Nachhauseweg, der Mann war jedoch so besoffen, dass sie Stunden ziellos durch die Nacht liefen. Torkelnd herumirren - auch das ist nicht erlaubt.

© SZ vom 22.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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