Mitten in Bayern:Deutsch-deutsches Kuhproblem

Alles könnte so schön und friedlich sein auf einer Weide im Grenzgebiet von Bayern und Thüringen, im grünen Streifen entlang der einstigen innerdeutschen Grenze. Wären da nicht Behörden, Vorschriften - und Kühe, denen es nun amtlich verboten ist, beim Gras fressen das Bundesland zu wechseln

Kolumne von Johann Osel

Mobile Kühe, die nicht brav in Ställen oder Weidegattern verbleiben, sind für Bauern ein Ärgernis, schließlich gilt es sie wieder einzufangen. In der Bevölkerung und bei den Medien erfreuen sich die Ausreißer aber größter Beliebtheit. Und man muss gar nicht mal mit dem Popstar der Zunft argumentieren, der Kuh Yvonne aus Mühldorf am Inn, die 2011 durch ihr Versteckspiel in Wäldern wochenlang Schlagzeilen erregte. Großes Interesse fand neulich auch Kuh Irene, die im oberbayerischen Peiting auf ein Dach sprang. Und Kuh Regina, die sich vergangenes Jahr im Allgäu in ein sechs Meter tiefes Loch verirrte und mittels Bagger und Seilwinde gerettet wurde. Oder zwei weitere berüchtigte Kühe (Namen nicht überliefert) 2018: Die eine schwamm 300 Meter in den Schliersee hinaus, die andere kraxelte in Oberaudorf auf ein Baugerüst. Auf der bundesländerübergreifenden Weide eines Bauers in Streufdorf in Thüringen wären dagegen die Rinder gar nicht mal besonders verhaltensauffällig - sie würden nur gern ab und an von Bayern nach Thüringen gehen oder umgekehrt, mal hier stehen und mal dort. Dürfen sie aber nicht.

Die Bild-Zeitung ist alarmiert ob der Situation, die sich in der Grenzgegend bei Bad Rodach und Hildburghausen ereignet: "Grenzenlos bescheuert - Amt verbietet Thüringer Kühen das Grasen in Bayern." Vom Zweckverband Rodachtal hatte der Bauer in Thüringen die Pflege des für Naturschutz bedeutenden Areals am sogenannten Grünen Band übernommen, entlang der einstigen innerdeutschen Grenze. Die Fläche soll auch über Beweidung mit Rindern frei von Bewuchs gehalten werden, staatlich gefördert. Das Problem, das die Behörden jedoch ermittelt haben: In Thüringen "gemeldete" Tiere, konkret sind es Heckrinder, dürfen nicht in Bayern weiden. Man müsste sie theoretisch jedes Mal ummelden, wenn sie in Bayern fressen. Die Vorschriften, etwa für die Vermeidung von Tierseuchen, sind nämlich hüben wie drüben unterschiedlich - Pendeln also strikt verboten.

Ein Zaun ist jetzt erst mal die Lösung, wie die örtliche Presse berichtet - mitten im früheren Grenzgebiet, unheilvoll passenderweise just im Jubiläumsjahr mit Feierlichkeiten zur friedlichen Revolution. Man könnte verstehen, wenn die Viecher Reißaus nähmen, mitsamt Halter!

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