Mitten in Bayern:Der Vordermann des Linienrichters

Bei einem Fußballspiel in Niederbayern ließ sich ein Unparteiischer zur einer Aktion hinreißen, die in die Sittengeschichte des Sports eingehen wird

Von Hans Kratzer

Die Kreisklassen-Fußballer der SpVgg 62 Straubing hatten am vergangenen Sonntag einen schwarzen Tag erwischt. Die Abwehr wirkte hüftsteif, das Mittelfeld machte nur Fehlpässe und die Stürmer trafen das Tor nicht. Bald lagen die Straubinger im Heimspiel gegen den SV Neukirchen mit 0:2 im Rückstand. Doch es kam noch schlimmer. Im Live-Ticker des Fußball-Portals "fupa" ist der Vorfall, der in die Sittengeschichte des deutschen Fußballs eingehen wird, penibel dokumentiert und kommentiert: "68. Minute: Fähnchenwinker von Neukirchen zeigt sein bestes Stück den Fans der SpVgg, der is doch echt ned ganz sauber."

Dass Fußballer in der Hitze der Emotionen die Hosen runterlassen und den Fans ihren Allerwertesten entgegenstrecken, dass Fans nackig übers Spielfeld flitzen, das gehört quasi zur Folklore des Fußballsports. Neu ist hingegen, dass ein Akteur seine Vorderseite präsentierte. Vermutlich wollte er einen Proll-Spruch visualisieren: "Verpisst euch!"

Zugegeben, die heimischen Fans haben den Linienrichter leibseelisch durchaus bedrängt. Angesichts der drohenden Niederlage und ihrer Wut auf alles und jeden feuerten sie hinter seinem Rücken unentwegt Schmähungen gegen den Unparteiischen aufs Spielfeld. Bis beim Linienrichter die Sicherungen durchbrannten und er zum Gliedvorzeiger mutierte. Männer, die sich zu solchen Taten hinreißen lassen, stehen in der Gesellschaft nicht in allerhöchstem Ansehen. Jetzt ermittelt die Polizei gegen den unbeherrschten und in sittlicher Hinsicht unreifen Sportsmann.

Es heißt, der Fußball sei ein Spiegel der Gesellschaft. Insofern ist der Vorfall in Straubing nur eine weitere Variation des alltäglichen Wahnsinns auf den Spielfeldern, auf denen sich prügelnde Eltern, pöbelnde Zuschauer und um ihr Leben zitternde Schiedsrichter ihrer Sportbegeisterung hingeben. Vielleicht standen am Wochenende auch die Gestirne ungünstig. In Schwabhausen (Kreis Dachau) lieferten sich bei einem Turnier für 8- und 9-jährige Fußballer zur Abwechslung die Eltern eine Schlägerei. Dabei biss ein Vater den Schiedsrichter, der schlichten wollte, krankenhausreif. Es ist beruhigend, dass die bayerische Fußballjugend so tolle Vorbilder hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: