Mitten in Bayern :Der unbemerkte Mindestlohn

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Die SPD hat das Jahr des Sozialstaats ausgerufen und wollte dafür einen bayerischen Mindestlohn einführen. Keine schlechte Idee. Nur hat sie kaum jemand mitbekommen

Kolumne von Lisa Schnell

Wenn eine Person des öffentlichen Lebens nicht mehr öffentlich ist, ja schier von der Bildfläche verschwunden zu sein scheint, könnten Plakate helfen: "Haben Sie diese Frau gesehen?". Für den Anfang aber reicht vielleicht eine Suche im Zeitungsarchiv. Im jüngsten größeren Text, in dem Natascha Kohnen vorkommt, geht es nicht um die Chefin der Bayern-SPD, sondern um Gerhard Schröder - ausgerechet. Kohnen soll sich Schröder 2018 in den Weg geworfen haben für ein Selfie. Dabei sind der Altkanzler und seine Hartz-IV-Altlasten aus Kohnens Sicht mit schuld daran, dass die SPD schon länger - naja - ziemlich alt aussieht. Man habe es nicht geschafft, genau zu formulieren, was die SPD unter "sozial" verstehe, sagte Kohnen Anfang 2019. Also rief die SPD das Jahr des starken Sozialstaats aus. Bei ihrer Klausur präsentierten die Genossen den "bayerischen Mindestlohn". Klang gut, ein Mindestlohn für Bayern, der höher ist als der im Bund. Nur: Darf das Bayern überhaupt? Nein. Was der bayerische Mindestlohn dann sei? Anstatt die Neugier der Journalisten zu stillen, schürte SPD-Fraktionschef Horst Arnold sie im Januar an: Bald gebe es Details!

Drei Monate später diskutiert der Landtag den Gesetzentwurf in der zweiten Lesung, der letzten. Davor gab es eine erste und diverse Ausschussberatungen. Nur mitbekommen hat das kaum jemand. Stattdessen wurde im Land viel über Bienen gesprochen. Das Problem beim "klaren sozialen Profil zeigen" scheint diesmal nicht das Profil, sondern das "zeigen" zu sein. Damit der bayerische Mindestlohn nicht ganz unbemerkt bleibt, gab Arnold am Mittwoch eine Pressekonferenz. Mit Details. Schon vergangenes Jahr wollte die SPD, dass alle Unternehmen, die Aufträge vom Staat bekommen, ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen. Wenigstens den Mindestlohn sollten sie erhalten und zwar den bundesweiten, also 9,19 Euro pro Stunde. Jetzt sollen sie mindestens 12, 35 Euro bekommen. Das ist er, der bayerische Mindestlohn. In letzter Sekunde konnte das also noch geklärt werden. Keine schlechte Idee eigentlich. Jetzt müssten nur noch mehr davon erfahren.

Immerhin: Sucht wieder jemand nach Kohnen im Archiv, findet er jetzt diesen Text - zum Mindestlohn und nicht zu Gerhard Schröder.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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