Mitten in Bayern:Der liebe Franz schaut in die Röhre

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Der CSU-Landesleitung hadert mit Franz Pschierer wegen seiner Positionen zu Corona

Glosse von Andreas Glas

Erinnert sich noch jemand an den Fall Christoph Lütge? Im Oktober 2020 berief Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Wirtschaftsethiker in den Bayerischen Ethikrat, um dessen Meinung zu den Corona-Beschränkungen einzuholen - und im Februar 2021 schmiss Söder ihn wieder raus, nachdem Lütge im Fernsehen gesagt hatte, dass er die Beschränkungen für "völlig überzogen" hält. Man muss diese Vorgeschichte kennen, um bemessen zu können, was da gerade für Emotionen im Spiel sind bei der CSU. Denn Lütge ist wieder aufgetaucht - auf der Gästeliste der CSU-Mittelstands-Union, dem Wirtschaftsflügel der Partei. Kein Schmarrn.

Eine Provokation? Nun, wer den Chef der Mittelstands-Union (MU) kennt, muss das in Betracht ziehen. Der Chef heißt Franz Josef Pschierer. Im März 2018 berief Ministerpräsident Söder den Schwaben zum Wirtschaftsminister - und im Oktober 2018 tauschte er ihn wieder aus. Es gibt demnach Parallelen in den Lebensläufen von Lütge und Pschierer, der die Corona-Beschränkungen übrigens auch für überzogen hielt und hält und das offen sagt. Man kann sich also vorstellen, dass Pschierer eine gewisse Freude daran hatte, Söder zu ärgern, indem er Lütge kürzlich zu einer Videoschalte der MU lud.

Das Problem an der Sache: Aus der Schalte wurde nichts. Warum? Da gehen die Schilderungen auseinander. Pschierer spricht im Münchner Merkur von "Zensur" und davon, dass die Parteizentrale kurzfristig einen Zugang zum Programm für die Schalte gesperrt habe. Laut CSU ist demnach nur ein harmloses Sicherheitsupdate schuld. Und Pschierers Zensurvorwürfe? Da lässt sich CSU-Generalsekretär Markus Blume so zitieren: "Der liebe Franz ist leider schon seit Monaten völlig von der Rolle - schade." Eine Anspielung auf Pschierers permanente Kritik an Söders Corona-Kurs und wohl auch darauf, dass er immer wieder erkennen lässt, dass ihm die CSU unter Söder zu grün ist. Letzteres finden übrigens nicht wenige in der Partei, nur traut sich kaum jemand, das offen auszusprechen. In der CSU-Fraktion habe Pschierer da eine vakante Rolle besetzt, schrieb neulich die Augsburger Allgemei ne: die Rolle des "Störenfrieds". Das klang böse. Und irgendwie anerkennend.

© SZ vom 16.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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