Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Der Gipfel der Verbote

Gibt es ein Problem, wird immer gleich ein Gipfel einberufen. Wie nun in Bissingen, da fand ein Kuchengipfel statt. Ob das nicht übertrieben ist?

Kolumne von Katja Auer

Wohnungsgipfel, Verkehrsgipfel, Klimagipfel - die Probleme unserer Zeit scheinen Zusammenkünfte mit gewichtigen Titeln zu erfordern. Folgerichtig fand nun in Bissingen (Landkreis Dillingen) ein Kuchengipfel statt. Allerdings, das sei gleich vorweg genommen, ohne ein eindeutiges Ergebnis.

Der Anlass war ein Verbot, und man weiß ja wie die Leute darauf reagieren: Dieselverbot, Plastiktütenverbot, Fleischverbot, alles nicht der ganz große Wurf. In Bissingen war es ein Kuchenverbot, das dem Ort eine Riesenaufregung und überregionale Bekanntheit bescherte. Die Kindergartenleiterin hat es ausgesprochen, weil einige wenige Eltern Zweifel geäußert hätten, dass mitgebrachte Kuchen hygienisch einwandfrei zubereitet würden, wie es heißt. Was zur Folge hatte, dass ein dreijähriges Mädchen seinen Geburtstag im Kindergarten ohne Kuchen feiern musste.

Die Empörung war groß, die Erklärungsversuche waren dürftig. Es sollte kein Kind ausgeschlossen werden, hieß es da, etwa wegen einer Unverträglichkeit. Andere fürchteten Zubereitungen mit rohen Eiern oder Alkohol. Aber die meisten hielten das Verbot samt Diskussion für einen Schmarrn. Nach einer Lösung wird gesucht, bislang auf kommunaler Ebene. Sollte sich das Gesundheitsministerium einschalten und in einem "Mitgebrachte-Speisen-Gipfel" ein grundsätzliches Verbot solcher erwägen, hätte das weitreichende Konsequenzen.

Etwa für die SPD im Landkreis Bamberg. Denn deren Bundestagsabgeordneter und Landratskandidat, Andreas Schwarz, und Kreistags-Fraktionschef Jonas Merzbacher machen damit zurzeit Wahlkampf. Wer mit den beiden über Politik diskutieren möchte, kann sie zu sich nach Hause einladen. Dann bringen sie zwar keinen Kuchen mit, wohl aber Bratwürste, was in Franken ohnehin naheliegender ist. "Während Sie die Bratwürste grillen, unterhalten wir uns über die Probleme in unserer Republik, die Ideen für unsere Region und Ihre persönlichen Baustellen", erläutert Schwarz das Konzept. Grillen, heißt das, muss man selbst.

Diese Aktion, das muss klar sein, ist kein Bratwurstgipfel. Den gibt es auch, er findet alljährlich in Pegnitz statt. Da geht es aber nicht um weitreichende Probleme. Da geht es einfach um die Bratwurst.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2019
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