Mitten in Bayern:Der Abfall ist des Wanderns Lust

Heutzutage braucht alles einen Namen, sonst gilt es nichts. Da wird aus der Fahrradtour ein Mikro-Abenteuer und wer beim Joggen den Müll aufsammelt, ist ein Plogger. Wenigstens tut's der Natur gut

Kolumne von Johann Osel

Mission erfüllt - alle T-Shirts sind erkennbar durchgeschwitzt und der Berg mit den vollen Müllsäcken ist stattlich. Mehr als ein Dutzend Sportler haben sich neulich im oberfränkischen Forchheim getroffen, um durch den Kellerwald zu joggen und nebenbei Unrat aufzuklauben. "Was vom Annafest übrig blieb", so hieß das Motto inoffiziell, das große Volksfest war zuvor geendet, etliche Saubären unter den Gästen hatten ihren Heimweg mit Abfällen garniert. Sogar ein Schuh war bei den Fundsachen, den vermisste wohl ein Trunkenbold am Morgen nach dem Fest. Auf jeden Fall: Es gab reiche Beute für die "Plogger", beim dritten Forchheimer Plogging-Lauf.

Das Phänomen kommt aus Schweden und gilt als Trend. Das Wort setzt sich zusammen aus "plokka" (aufsammeln) und "jogging", wobei man auch langsamer unterwegs sein darf. Das Ziel ist, in Anlehnung an das alte Volkslied: "Der Abfall ist des Wanderns Lust." Mit Handschuhen, eventuell Greifzange und Säcken ziehen Leute durch Städte, Dörfer und Wälder. Oft organisieren sie sich über Facebook, geploggt wurde schon und wird unter anderem in Regensburg, Nürnberg, Ingolstadt und Erlangen; aber keineswegs nur in größeren Städten, auch etwa in Oberstdorf, Freilassing und Lauf an der Pegnitz. Nun stöhnt manch traditioneller Läufer, Wanderer oder Flaneur ob des allzu trendigen Trends und hält dagegen: Schon immer habe man auf Touren auch Müll aufgehoben, das gebiete die Ehre des Naturfreunds, erst recht des Alpenvereinsmitglieds. Andere grummeln, dass es "Rama-dama"-Aktionen vielerorts längst gibt, und fragen, ob heutzutage wirklich alles kuriose Namen braucht. Wer früher im Job nicht mit den Kollegen in der Kantine speiste, sondern Vorgekochtes mitbrachte, galt als Kauz - heute ist er ein "Meal-Prepper". Das, was einst Zelten hieß, firmiert jetzt als "Mikro-Abenteuer". Manche nennen selbst Fahrradtouren und Vögelbeobachten "Mini-Mikro-Abenteuer".

Kein Wunder, dass professionelle Plogging-Coaches inzwischen ihre Dienste anbieten und für "Events" zu buchen sind. Und dennoch: Auch wenn beim Plogging wohl die Selbstselbstdarstellung in sozialen Medien ein Faktor ist - unterm Strich ist es eine gute Sache, die Bewegung und die Reinigung der Natur sowieso. Und ja, ein Mikro-Abenteuer ist es noch dazu.

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