Würzburg:Besser hätte es Hitchcock nicht hinbekommen

Alte Truhe im Weingut Juliusspital entdeckt

Ominöser Fund: Horst Kolesch, Leiter des Würzburger Juliusspital-Weingutes, mit der 80 Kilogramm schweren Truhe.

(Foto: Hildenbrand/dpa)

In einem Würzburger Spital ist bei Bauarbeiten eine alte Truhe entdeckt worden. Filmreif inszeniert das Spital ihre Öffnung. Doch das Ergebnis ist ziemlich mau.

Kolumne von Andreas Glas

Um den Spannungsbogen nicht direkt kaputtzumachen, muss man die Geschichte aus Würzburg von Anfang an erzählen, nicht von ihrem Ende her. Hätte Alfred Hitchcock diese Geschichte erzählt, er hätte das in etwa so inszeniert: Eine Truhe steht im Raum. Der Zuschauer weiß: Gleich wird die Truhe geöffnet. Was er nicht weiß: Was in der Truhe steckt. Bombe? Leiche? Um die Spannung noch zu erhöhen, würde Hitchcock dieses Violinen-Kreischen aus seinem Film "Psycho" einspielen: iieek, iieek, iieek, iieek. Noch ist nix passiert, vielleicht passiert auch nix. Aber allein die Möglichkeit, dass etwas Schockierendes passieren könnte, erzeugt gruselige Ungewissheit. "Suspense" heißt diese Erzähltechnik, die keiner so beherrschte wie Thriller-Regisseur Hitchcock.

Aber das geht jetzt schon einen Schritt zu weit. Man wollte die Würzburg-Geschichte ja von Anfang an erzählen. Also: Bei Bauarbeiten im alten Weinkeller des Juliusspitals wurde im August eine Truhe entdeckt. 250 Jahre alt, schätzten Experten, 80 Kilo schwer, sagte die Waage. Blöd nur, dass die Truhe abgeschlossen war und keiner die dazugehörigen Schlüssel fand. Im Grunde ging der Suspense da schon los. Weil keiner wusste, aber alles rätselten, was in der Truhe stecken könnte. Goldmünzen? Schmuck? Antike Bocksbeutel? All diese Spekulationen versetzten Würzburg in einen wochenlangen, fast nicht aushaltbaren Zustand der Spannung.

Um den Suspense auf die Spitze zu treiben, hat das Spital die Öffnung der Truhe nun filmreif inszeniert. Zwei Dutzend Journalisten waren geladen, als der Chefarzt ein Endoskop mit Kamera ins Schlüsselloch der Truhe einführte. Iieek, iieek, iieek, iieek. Und? Na, nix. Okay, fast nix. Die Truhe war leer, nur einen alten Zettel konnte die Kamera entdecken und auf einen kleinen Monitor projizieren. "Kostenrechnung" stand drauf, in altdeutscher Schrift, und "rpflegung", weil der Zettel halb zerrissen war. "Ernüchternd", "enttäuschend", sagten die Spitalchefs und schämten sich sichtlich, die Truhenöffnung so spannungsreich inszeniert zu haben. Doch dafür gibt es keinen Grund, im Gegenteil. Beim Suspense geht es schließlich um Spannung - und nicht zwangsläufig um den Schock. Hitchcock hätte es nicht besser hinbekommen.

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