Mitten in Bayern:Da ist Musik auf dem Klo

Die Toiletten sind auch in der Volksmusik-Akademie in Freyung ein stiller Ort. Allerdings mit einer Dekoration, über die sich jemand gerade sehr laut aufregen muss

Kolumne von Andreas Glas

Toiletten und Volksmusik, da war doch mal was. Da gab es mal diesen Bericht der RTL-Sendung Explosiv. Damals, 2004, untersuchten RTL-Reporter die Künstlertoiletten beim "Musikantenstadl" - und stellten "mit 98-prozentiger Sicherheit" fest, dass dort Kokain konsumiert wurde. Musikantenstadl-Moderator Karl Moik kommentierte die Enthüllung mit angemessener Gelassenheit: "Wenn einer das Zeug nehmen will, was soll's?" Der Boulevard schrieb natürlich trotzdem vom "Kokain-Skandal". Nun, 16 Jahre später, geht es wieder um Toiletten und Volksmusik, diesmal in Freyung im Bayerischen Wald. Das hiesige Online-Portal da Hog'n hat dem Skandal auch schon einen hübschen Titel verpasst: "Urinal-Gate".

Worum geht's? In Freyung gibt es seit Kurzem eine Volksmusikakademie. Kein Musikantenstadl, sondern ein Ort, an dem Kapellen und Sänger einen Raum finden, das Kulturgut Volksmusik fortzuentwickeln. Und wo ist da jetzt das Problem zu finden? Auf der Männertoilette der Akademie. An der Wand, an der die Pissoirs hängen, hängt auch ein großformatiges Fotomotiv in Schwarzweiß, das Arbeiter zeigt, die in einer Glashütte ihrem Geschäft nachgehen. Also, dem Geschäft des Glashandwerks, das im Bayerwald ja eine besondere Tradition hat. "Ich bin sprachlos", poltert der Chef der Glasmanufaktur Poschinger auf dem Instagram-Kanal der Firma. "Das edle und traditionelle Glashandwerk als Hintergrundmotiv für Pissbecken." Ein "Affront", findet Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau.

Man muss die Macher der Akademie in Schutz nehmen. Laut einer Studie bezeichnen 23 Prozent der Männer das Klo als "sicheren Ort", um sich hin und wieder der Außenwelt zu entziehen. Auch das zeigen Studien: Auf dem Klo wird viel gelesen, in Büchern, in Zeitschriften, auf dem Smartphone. Für Männer ist das Klo also ein Ort des Friedens, der inneren Einkehr, der Bildung - und damit der ideale Ort, um sich mental auf kulturelle Themen wie das Glashandwerk einzulassen. Um den Freiherrn zu besänftigen, hat ihn die Akademie nun zu sich eingeladen - damit er sich selbst von der bildungsfördernden Toilettenatmosphäre überzeugen kann. Danach wird es sicher wieder ruhiger um das stille Örtchen.

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