MITTEN IN BAYERN:Brutalismus auf der Wiese

Von Matthias Köpf

Es kommt drauf an, was man draus macht. So lautete Mitte der Achtzigerjahre der Werbespruch für Beton, und ein bisschen aus der Defensive heraus formuliert war das auch damals schon. Dabei war in den Jahrzehnten zuvor aus Beton eine ganze Architektur-Epoche entstanden, der Brutalismus, der gerade vom Deutschen Architekturmuseum mit einer Ausstellung geadelt wird. Le Corbusier baute das Kloster Sainte-Marie de la Tourette komplett aus Beton, Oscar Niemeyer betonierte Brasilia in den Urwald, in Regensburg wurde die Uni gegossen und am Ende bestellten allerlei Kreissparkassen bei ihren jeweiligen Provinz-Corbusiers neue Filialen in beton brut, dem rohen Sichtbeton. Wenn aber erst mal die Sparkassen aufspringen, ist das ein sicheres Zeichen für das Ende einer Epoche. Darum muss man in dem Stadel, der vor zwei Jahren am Samerberg im Landkreis Rosenheim entstanden ist, das erste Werk einer neuen Ära erkennen: des Neo-Brutalismus.

Denn dieser Stadel - Architekturkenner ahnen es - ist komplett aus Beton. Das war gar nicht der Plan, denn ein Dach sollte schon noch drauf. Und der Bauherr, ein Bauer aus Rohdorf, wollte den Stadel außen mit Holz verkleiden, so dass er zukunftsfest geworden wäre und trotzdem keiner was gemerkt hätte. Im Rathaus und im Landratsamt haben sie aber was gemerkt und den Bau einstellen lassen. Das Verwaltungsgericht urteilte, dass kein vernünftiger Bauer für landwirtschaftliche Zwecke einen Vollbeton-Stadel in die schützenswerte Landschaft wuchten würde. Also Abriss, was weniger an der soliden Bauweise scheiterte als an bauherrischer Entschlossenheit. Am vermeintlichen Ende entschied auch der Verwaltungsgerichtshof letztinstanzlich gegen den Bau. Allerhöchstens ginge es mit einem ganz konkreten landwirtschaftlichen Betriebskonzept, hieß es da, und das wiederum könne nur in einem Genehmigungsverfahren geprüft werden. Folglich alles von vorn: Den Bauantrag für einen "Rinderlaufstall" ganz aus Beton hat der Gemeinderat gerade abgelehnt, jetzt liegt die Sache wieder betonschwer beim Landratsamt. Denn wie in jeder modernen Kunst kommt es auch in der Baukunst eben längst nicht mehr nur drauf an, was man draus macht. Sondern darauf, wie man's begründet.

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