Mitten in Bayern:Die Rückkehr des Riesen

Seit einem Jahr grassiert in Bayern der Rohstoffmangel. Doch in Bischofsgrün können sie derzeit entspannt auf ihre vielleicht wichtigste Ressource schauen - und sich auf ein Stück Normalität freuen.

Glosse von Maximilian Gerl

Es gab bekanntlich schon mal normalere Zeiten. Festmachen lässt sich diese nicht allzu steile These etwa am seit einem Jahr grassierenden Rohstoffmangel, der Unternehmer und Privatleute zur Verzweiflung treibt. Erst fehlte es an Holz, später an Kunststoffen und Metallen, Chips und anderen elektronischen Komponenten. Die Folge: längere bis undefinierbare Lieferzeiten, höhere Preise, Stillstand in Fabriken und auf Baustellen. Besserung ist vorerst leider nicht in Sicht. Materialengpässe werden den Freistaat "vermutlich noch das ganze Jahr begleiten", prognostizierte der Bayerische Handwerkstag vergangene Woche.

Wer trotz solcher Mangelerscheinungen momentan den Bauherrn macht, braucht also tendenziell noch bessere Nerven als sonst. Außer vielleicht in Bischofsgrün im Landkreis Bayreuth. Dort können sie entspannt auf ihre derzeit wichtigste Ressource blicken: Schnee. Die gemeindeeigenen Webcams zeigten am Montag einen in unwirtliche Winterwolken gehüllten Ort, auch der nahe Schneeberg macht seinem Namen Ehre. Und tatsächlich wäre ein Schneestoffmangel ausgerechnet jetzt fatal. Denn die Bischofsgrüner benötigen das weiße Element massenhaft, um daraus einen Riesenschneemann namens "Jakob" zu errichten. Dieser soll - nach einer Corona-bedingten Auszeit im vergangenen Jahr - endlich wieder bis zum Rosenmontag in der Ortsmitte thronen, so wie auch sonst immer seit 1985, um die Hochphase des Faschings einzuläuten. Angetan mit Zylinder, grünen Knöpfen und Fliege grüßt "Jakob" dann über den Marktplatz. Seine Größe schwankt je nach Materialangebot von Saison zu Saison, der Rekord liegt bei 12,65 Metern. Netter Nebeneffekt: Der Abbau des frostigen Riesen erledigt sich im Laufe des Frühjahrs mehr oder weniger von selbst.

Trotzdem wird es so wie früher im Fichtelgebirge diesmal natürlich nicht werden. Das Schneemann-Fest am Rosenmontag, bei dem Einheimische und Gäste im Schatten des Kolosses von Bischofsgrün feiern, fällt wegen Corona ins Wasser. Bei der örtlichen Touristinfo gab man sich zur DPA dennoch zuversichtlich, mit dem Bauprojekt ein "kleines Hoffnungszeichen" in diesen Zeiten setzen zu können. Ein Stückerl Normalität bietet die Rückkehr des unnormal großen Schneemanns allemal.

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