Mitten in Bayern:Am Rande der Zivilisation

Wer im Zug auf eine Gruppe Fußballfans trifft, den hat es hart getroffen. Deren Benehmen ist oft schwer daneben. Der Grund dafür liegt weit zurück

Kolumne von Benjamin Emonts

Angeblich soll ja Sinnvolles dabei rauskommen, wenn viele Menschen ihre Köpfe zusammenstecken - Wissenschaftler bezeichnen das Phänomen als "kollektive Intelligenz" oder auch "Schwarmintelligenz". Eine eigens durchgeführte Feldstudie in den Zügen Bayerns hat nun ergeben, dass es dieses Phänomen auch in umgekehrter Weise gibt. Wenn sich viele Fußballfans in einem Zugabteil zusammenraufen, dann treten häufig Verhaltensweisen auf, die mit der Zivilisation kaum noch in Einklang zu bringen sind. Sie äußern sich in Sauforgien, Ruhestörung, Sachbeschädigung oder gar Körperverletzung. Kein Wunder, dass sensible Beobachter dann von "kollektiver Verblödung" oder "Rudelbildung mit Hirnverlust" sprechen.

Zu beobachten ist dieses Phänomen insbesondere an Wochenenden, wenn die Fans zu den Spielen ihrer Mannschaften fahren. Allein in den drei höchsten deutschen Ligen reisen zehn bayerische Fangruppierungen durch's Land: In kleineren Horden treten erfahrungsgemäß Fürther, Würzburger und Regensburger auf, in deutlich größeren Gruppen Bayernfans, Löwen und Nürnberger, die über ihren Verein sogar selbst sagen: "Der Club is a Depp." Das ist noch untertrieben, wenn man betrachtet, was Club-Fans im vergangenen Dezember in einer Münchner U-Bahn gemacht haben. Als ein 21-Jähriger sie bat, etwas leiser zu grölen, prügelten sie ihn krankenhausreif. Andere Geschichten verliefen glimpflicher. Im Regionalexpress von Nürnberg nach Hof - was für ein Spaß - haben Fußballfans Kopfstützen und Sitzpolster aufgeschlitzt. Regensburger Sechzger-Fans konnte man neulich dabei beobachten, wie sie leere Bierflaschen aus dem Fenster der Regionalbahn warfen und jedes Klirren wie ein Tor feierten. Gespuckt, gehüpft und gepöbelt wird freilich auch. Wer im Zug sitzt, wenn eine Kohorte Fußballfans zusteigt, der ist die ärmste Sau.

Die Feldstudie kommt folglich zu dem Ergebnis: Wenn Fans gemeinsam reisen, finden das meist nur sie selber lustig. Der Rest der Fahrgäste darf sich Gedanken darüber machen, wozu Horden von hormongetriebenen Männern in der Lage sind, die leider zu spät geboren wurden und nur deshalb saufen und grölen müssen, weil, verdammt noch mal, die Säbelzahntiger zu früh ausgestorben sind.

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