Mitten in Bayern:Als Miesbach wie Chicago war

Laut Staatsregierung sind in dem friedlichen Landkreis angeblich 12500 Menschen bewaffnet. Doch bei der Berechnung unterlief den Beamten ein großer Fehler

Von Johann Osel

Wenn Schreckensmeldungen in ein Idyll brechen, wenn hinter gestutzten Thujen-Hecken Familiendramen stattfinden, wenn inmitten schönster Natur Verbrecher auftauchen - dann ist das Entsetzen meist größer als bei ähnlichen Vorfällen im Sündenpfuhl Großstadt. Dementsprechend haben viele Leute im Landkreis Miesbach wohl mindestens gestaunt angesichts der neuen Zahlen über bewaffnete Mitbürger. Die Grünen im Landtag hatten dazu eine Anfrage gestellt, das Innenministerium antwortete: 12 500 Personen im Landkreis besitzen Waffen, mit Blick auf die Einwohnerzahl jeder Achte, abzüglich Kinder ist die Quote noch höher. Das mag man sich kaum vorstellen, weil man doch viel lieber im Tegernseer Bräustüberl sein Leberkäs-Cordon-Bleu genießt, vom Wendelsteinhaus aus die alpine Anmut bewundert oder durch die Gemeinden flaniert, in denen Kirchturm und Maibaum im Ortskern dazugehören wie seit jeher. Und hier in der Gegend sollen Leute scharenweise bewaffnet sein?

Würde das stimmen, wären es zwar nicht ganz amerikanische Verhältnisse; aber ein Hauch von Chicago zöge doch übers Land, von Gangstergeschichten in der "Hood", wie harte Burschen ihr Viertel zu nennen pflegen. Es stimmt nicht. Wie sich herausstellte, hat sich ein Fehler eingeschlichen: 10 000 Waffenfreunde zu viel teilte das Landratsamt der Regierung von Oberbayern, diese dem Innenministerium und dieses den Grünen mit. 2500 Personen sind es, nicht 12 500. Gut jeder vierzigste Bürger also. Sie besitzen gleichwohl mehr als 12 500 Waffen. Jäger und Schützen fallen darunter; ein Trend zur Aufrüstung, und das bayernweit, zeigt sich dennoch. Zweifelsohne spielt dabei das Sicherheitsgefühl im Zuge der Flüchtlingskrise eine Rolle.

Fest steht nun jedoch: Miesbach ist nicht Chicago. Das übrigens hat die Polizei schon einmal mit Nachdruck betont. Im Sommer 2016 trieben sich zwei Bewaffnete am Bahnhof Miesbach herum, die Polizei rückte an, witterte eine große Bedrohungslage. Zum Glück stellten die Beamten noch fest: Die beiden Volldeppen hantierten nur mit Spielzeugwaffen. "Mit so was rumlaufen? Noch ganz bei Trost?", mahnte tags darauf die Polizei in einem kuriosen Facebook-Beitrag. "Nein, wir sind hier nicht in da hood."

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