Süddeutsche Zeitung

Kulinarik:Die Weißwurst gehört ins heiße Wasser - und sonst nirgendwo hin

Ein Metzgermeister aus der Oberpfalz hat versucht, die traditionellste aller bayerischen Würste zu kulinarisieren - doch bei Rezepten wie "Currysuppe mit Weißwurst und Shrimps" hört bei vielen die Toleranz auf.

Kolumne von Gerhard Wilhelm

Leben und leben lassen, das ist die viel gerühmte "Liberalitas Bavarica". Die Bayern gelten als bodenständig, ehrlich, auf derbe Art freundlich und tolerant. Bis zu einem gewissen Punkt. Beispiel Bier. Damit treibt man keine Späße - und wer das anders sieht, der hat schnell eine kleine Revolution an der Backe, wie bei der "Bayerischen Biergartenrevolution" vom 12. Mai 1995.

Aber auch bei anderen Lebensmitteln gibt es eine Toleranzgrenze. Wie bei der Weißwurst. Einem echten Bayern muss nicht gesagt werden, wie die Weißwurst richtig gegessen wird. Sie wird selbstverständlich gezuzelt. Aber wenn unbedingt einer meint, ihr mit Messer und Gabel zu Leibe rücken zu müssen, auch in Ordnung.

Die Toleranz hört aber auf, wenn man meint, die Weißwurst sozusagen kulinarisieren zu müssen, wie es ein Metzgermeister aus der Oberpfalz in einem Kochbuch gemacht hat. Dort gibt es "Currysuppe mit Weißwurst und Shrimps", "Weißwurst-Lasagne mit Gorgonzola und Mangold", "Lauwarme Weißwürstl auf Gurkennudeln mit Shrimps" oder "Spargel mit Weißwurstschnitzel und Eiermarinade". Im Mittelalter hätte der Mann als Ketzer auf dem Scheiterhaufen geendet, samt Pfannkuchen-Weißwurst-Wrap.

Jetzt ist es ja nicht so, dass die Oberpfälzer erst seit 1803 zu Bayern gehören, wie die Franken, aber irgendwie hat die Annektierung 1628 auch nach fast vier Jahrhunderten nichts gebracht. Also, liebe Oberpfälzer: Wenn ihr nicht in den Topf mit anderen "Zuagroasten" geworfen werden wollt, dann lasst die Weißwurst, wo sie hin gehört, in einem Topf mit heißem Wasser.

Erst bringt man es kurz zum Kochen, schaltet zurück, dann kommen die Würst in den Topf und der Deckel drauf. Bis alle Weißwürst gleichmäßig durchgewärmt und heiß sind, können zehn Minuten vergehen. Dabei darf man die Temperatur nicht erhöhen. Denn wenn sie kochen, platzen sie. Und dann geht nix mehr mit Zuzeln.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2017/vewo
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