Mittelfranken:Mann ersticht Mitarbeiter eines Jobcenters - und muss in Psychiatrie

Toter bei Messerattacke in Jobcenter

Mit einem Küchenmesser erstach ein junger Mann einen Psychologen im Jobcenter in Rothenburg.

(Foto: Karmann/dpa)
  • Ein Mann hat im Jobcenter von Rothenburg an der Tauber einen Psychologen erstochen.
  • Deswegen wurde er nun zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen Totschlags verurteilt.
  • Er muss aber nicht ins Gefängnis, sondern in die Psychiatrie. Wegen Drogenkonsums leidet der Mann an einer schizophrenen Psychose.

Von Katja Auer, Ansbach

Er wollte sich von der Polizei erschießen lassen, mit dem Messer in der Hand. Mit dem hatte er zuvor einen Psychologen im Jobcenter in Rothenburg erstochen. Deswegen muss ein 29-Jähriger aus dem Landkreis Ansbach nun in eine psychiatrische Klinik. Das Landgericht Ansbach verurteilte ihn am Mittwoch wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren.

Weil er wegen seines Drogenkonsums an einer schizophrenen Psychose leidet, muss er nicht ins Gefängnis, sondern in die Psychiatrie. Das hatte zuvor auch ein Gutachter empfohlen. Der junge Mann, der das Urteil ohne große Regung aufnahm, sei gefährlich für die Allgemeinheit.

Ihn trieb die Sorge um, man könnte ihn für dumm halten

Der Staatsanwalt hatte gefordert, den Mann wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten zu verurteilen, der Verteidiger plädierte dagegen für ein Urteil wegen Totschlags. Er hielt sieben Jahre und sechs Monate für ausreichend. Einig waren sich beide, dass der Mann in der Psychiatrie untergebracht werden soll.

Der Täter sei keine "geistig minderbemittelte Person", sagte der Richter in seiner Begründung, das zeige schon, dass er ein Studium als Physikingenieur begonnen habe. Allerdings sei ihm dann die Psychose "in die Quere gekommen". Die Krankheit sei zwar zunächst behandelt worden, "aber er hat leider seinen Haschischkonsum wieder aufgenommen", deswegen habe sich die Psychose wieder verstärkt entwickelt. Dann sei er arbeitslos geworden und habe sich beim Jobcenter in Rothenburg ob der Tauber gemeldet.

Dort ließ seine Beraterin vom späteren Opfer ein Gutachten erstellen, ob der junge Mann eine normale Arbeit aufnehmen könne. Das lief nicht besonders gut für ihn, das habe der 29-Jährige erkannt. Er fürchtete, in die Psychiatrie eingewiesen zu werden. Und ihn trieb wohl die Sorge um, dass man ihn für dumm halten könnte. Gleich mehrmals soll er in dem Gespräch an jenem Mittwoch, als ihm das Gutachten eröffnet werden sollte, erklärt haben, dass er eben das nicht sei, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Als das Gutachten erstellt wurde, sei es ihm nicht gut gegangen. Da habe er die Beraterin abstechen und sich selbst dann von der Polizei erschießen lassen wollen. Aber nun sei er voll arbeitsfähig.

Es sei die Aufgabe der Beraterin, ihm jetzt einen Job zu besorgen. Als er das Zimmer verließ, soll er nochmals gedroht haben. "Da hatte er sich seine Tötungsabsicht schon gebildet", sagte der Staatsanwalt. Aus "Rache und Verärgerung" habe er einen der beiden umbringen und sich danach erschießen lassen wollen.

Der junge Mann kaufte daraufhin ein Küchenmesser, kehrte zurück zum Arbeitsamt, ins Zimmer seiner Beraterin und stach auf den 61-jährigen Psychologen ein. Dreimal, einmal durchdrang die Klinge das Herz. Er müsse das nun zu Ende bringen, soll er davor gesagt haben. "Der Mann rechnete mit keinem Angriff und war dem chancenlos ausgeliefert", sagte der Staatsanwalt. Arglos sei das Opfer gewesen, deswegen die Anklage wegen Mordes.

"Ich kann nur erklären, dass es mir leid tut"

Eben das bezweifelte der Verteidiger des 29-Jährigen. Spätestens als sein Mandant der Jobvermittlerin gedroht habe, sie abzustechen, "war klar, dass Gefahr drohte". Die Tat sei weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen, sagte der Anwalt. Als Mord will er die Tat aber nicht verstanden wissen, er plädierte für eine Verurteilung wegen Totschlags. Außerdem habe der Mann ein Geständnis abgelegt. Zumindest ein Teilgeständnis, das wertete auch das Gericht positiv. Allerdings hatte er nicht eingeräumt, dass er den 61-Jährigen habe töten wollen. Davon ging der Richter allerdings aus. Allein, dass er nach dem Gespräch ein Messer gekauft habe, "belegt schon die Tötungsabsicht". Einen von beiden habe er auf jeden Fall töten wollen, sagte der Richter. Mordmerkmale seien aber wegen seiner Krankheit nicht zu erkennen, deswegen lautete das Urteil auf Totschlag. "Ich kann nur erklären, dass es mir leid tut", sagte der Angeklagte am Mittwoch noch einmal mit dünner Stimme. Die Witwe des Psychologen saß als Nebenklägerin im Gerichtssaal, ihre drei Kinder ließen sich von Anwälten vertreten. Ihnen muss der 29-Jährige ein Schmerzensgeld in Höhe von 10 000 Euro zahlen. 19 Zeugen hatte das Gericht an drei Verhandlungstagen gehört, darunter Mitarbeiter des Jobcenters, die der Angriff immer noch mitnimmt. Ein Angestellter war es auch, der den Angreifer überwältigte und festhielt, bis die Polizei kam. Der Angeklagte hatte über Jahre regelmäßig Haschisch geraucht, auch am Morgen der Tat. Sein Drogenkonsum habe die Psychose ausgelöst, sagte Gutachter Michael Wörthmüller, wie der Gerichtssprecher aus der nicht öffentlichen Sitzung berichtete. Deswegen seien Steuerungs- und Schuldfähigkeit eingeschränkt gewesen. Der Richter empfahl ihm, "über das Ganze nachzudenken und vielleicht mit der Zeit zu realisieren, was sie den Angehörigen angetan haben."

Nach der Tat habe ihm der Mann von sich aus erzählt, dass er den Psychologen erstochen habe, sagte ein Polizist vor Gericht. "Und dann hat er mich gebeten, ihn mit meiner Dienstwaffe zu erschießen."

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