Mittelfranken:Klinik-Neubau in Fürth ruht seit zwei Jahren

PK der Bezirkskliniken Mittelfranken in Ansbach 07.07.2017

Klinikchef Helmut Nawratil und seine Methoden sind umstritten.

(Foto: Peter Roggenthin)
  • Schon 2016 wurde der vermeintliche Baubeginn einer psychiatrischen Klinik in Fürth gefeiert.
  • Bis heute gibt es allerdings keine Baugenehmigung, weil die Statik des Geländes nicht gesichert ist.
  • Klinik-Manager Helmut Nawratil, der bereits wegen anderer Vorkommnisse umstritten ist, will davon erst nach der Baustellen-Show erfahren haben.

Von Uwe Ritzer

Es ist einer jener Termine, wie Richard Bartsch und Helmut Nawratil sie mögen. Die Sonne scheint, das handverlesene Publikum applaudiert brav, und in einem Partyzelt gibt es zu essen und zu trinken. Hübsche Pressefotos werden gemacht, wofür der mittelfränkische Bezirkstagspräsident, der Vorstand der Bezirkskliniken und andere Honoratioren gelbe Bauhelme aufsetzen und mit Bohrhämmern posieren. Sie feiern den vermeintlichen Baubeginn einer psychiatrischen Klinik in Fürth.

Vor allem Nawratil tut sich an jenem 10. Juni 2016 hervor und lobt die neue Klinik als wegweisend, die im Herbst 2019 eröffnet werde. Dabei weiß er zu dem Zeitpunkt längst, dass das auf 30 Millionen Euro veranschlagte Projekt wackelt. Er sagt es aber nicht. Auch Bezirkstagspräsident Bartsch (CSU) und der Verwaltungsrat der Bezirkskliniken erfahren nichts. Es ist der Beginn eines Millionendesasters, für das der Steuerzahler geradestehen muss.

Der Bau der 100-Betten-Klinik hat auch knapp zwei Jahre später noch nicht begonnen und wird viel teurer als geplant. Ihre Statik ist nicht gesichert, denn unter dem Grundstück ziehen sich alte Stollen, deren Ausmaße niemand kennt. Bis heute verweigert die Stadt Fürth den Bezirkskliniken, der Klinik-Tochterfirma des Bezirks Mittelfranken, deshalb die Baugenehmigung.

Deren Chef Helmut Nawratil, der sich seit Monaten wegen seiner Amts- und Menschenführung harschen Vorwürfen ausgesetzt sieht, gibt sich arglos. Von der Stollen-Problematik habe er erst nach der Baustart-Show erfahren, behauptet er. Deshalb seien Verzögerung und Kostenmehrungen auch nicht seine Schuld. Eine Version, die durch interne Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, allerdings untergraben wird.

Egal, welche Vorwürfe bislang gegen Helmut Nawratil laut wurden - Bartsch und eine große Mehrheit aus Bezirksräten von CSU, SPD und FW halten zu dem Manager; sie hoben zum Jahreswechsel sein Gehalt sogar um knapp 50 Prozent an. Weil Nawratil so tüchtig sei, dass die Klinikfirma (3000 Beschäftigte) Gewinne einfahre. Doch das Bild vom guten Wirtschafter erhält hässliche Kratzer. Denn wie es aussieht, werden aus Schlamperei und Ignoranz allein bei der Fürther Klinik Millionen Euro zusätzlich versenkt.

Von den Stollen weiß man schon seit zwei Jahren

"Die ersten Hinweise auf Stollen unter dem Baugelände traten im April 2016 auf", sagt die Fürther Baureferentin Christine Lippert auf Anfrage. "Wir haben darüber sehr zeitnah die Bezirkskliniken informiert." Das deckt sich mit einem Papier der Bezirkskliniken, wo es zum Stichwort "Stollengänge/Gewölbekeller" heißt, man habe "Kenntnis von der Situation seit 05/2016". Tatsächlich gab es Anfang Mai 2016 eine Ortsbegehung von Behördenvertretern, bei der auch die Klinikfirma vertreten war. Dort wurde klar: Der Untergrund muss untersucht werden, alle Zeichen stehen auf Stopp. Am 10. Mai schrieb die Stadt Fürth den Bezirkskliniken, die Baugenehmigung werde sich "wegen der ungeklärten Stollenthematik verzögern".

Vorstand Nawratil informierte darüber anscheinend weder Bartsch noch den Verwaltungsrat. Dabei hatten selbst seine eigenen Mitarbeiter längst kalte Füße bekommen. Zwei Tage vor der Baustart-Inszenierung, warnte Fachbereichsleiter Dirk R. seinen Chef Nawratil und andere Führungskräfte schriftlich, das Stollenthema sei ein "Sachverhalt, der sich eventuell kritisch auf das weitere Baugeschehen bzw. die spätere Nutzung auswirken kann".

Im Widerspruch zu alldem beharrt Nawratil bis heute darauf, von den Hohlräumen unter dem Baugrund erst am 19. Juli erfahren zu haben. Bis dahin sei es nur um einen alten Kellerstollen unter der Zufahrtsstraße gegangen. Doch diese Version sticht nicht; schließlich ging es um die einzige Zufahrtsmöglichkeit für die Baufahrzeuge. Kommen sie nicht zum Grundstück, kann auch nicht gebaut werden. Fachbereichsleiter Dirk R. sah das genauso. Er warnte Nawratil, wenn das zulässige Gesamtgewicht für das Befahren der Straße auf 3,5 Tonnen begrenzt werde, "wäre das Gesamtprojekt gefährdet". Wenige Tage später warnte er ihn erneut: Eine Tonnage-Begrenzung mache "Bauabwicklung und Betrieb des Neubaus" unmöglich, dann wäre "das Projekt nicht umsetzbar".

Es gibt noch keine Baugenehmigung

Nawratil blieb nurmehr die Flucht nach vorn. Am 21. Juni 2016 informierte er den Verwaltungsrat, allerdings "nur" über die Zufahrtsprobleme. Erst Ende Juli legte er die gesamte Dimension des Problems offen. Der Vorwurf, die für seine Kontrolle verantwortlichen Bezirksräte nicht immer schnell, korrekt und vollständig zu informieren, haftet schon länger an dem Manager, der dies aber immer bestritt. Was den Bau in Fürth angeht, ignorierte der von Bartsch & Co. für sein betriebswirtschaftliches Geschick stets gelobte Nawratil einige Alarmsignale. Anfang 2017 deckte Dirk R.s Nachfolger planerische Mängel und Kostenrisiken auf; Nawratil erklärte ihn zum Bedenkenträger und warf ihn raus.

Fürths Baureferentin Lippert sagt, "das Zufahrtsthema zum Baugelände konnte relativ schnell gelöst werden". Weil Ausmaß und möglicher Einfluss der Stollen auf den Klinikbau offen sind, gibt es aber noch keine Baugenehmigung. Unklar sind auch die Mehrkosten, die eine Sprecherin Nawratils auf 1,4 Millionen Euro beziffert. Doch auch diese Auskunft ist fraglich; in internen Papieren tauchen Summen bis 5,5 Millionen Euro auf. Die eine oder andere Million käme hinzu, wenn zur Sicherung Pfähle in den Boden gerammt werden müssten.

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