Mittelfranken:"Das Gemeinschaftsgefühl in Ansbach ist stark"

Nach Anschlag in Ansbach

Die Ansbacher Flüchtlingshelfer wollen sich nicht entmutigen lassen.

(Foto: dpa)

Arne Bister ist Mitgründer der Flüchtlingsinitiative "Ansbach hilft". Im Interview erklärt er, wie sich die Stimmung in der Stadt mit dem Anschlag verändert hat.

Von Hannah Beitzer

SZ: Herr Bister, wie haben Sie das Ansbacher Attentat am Sonntagabend erlebt?

Arne Bister: Meine Familie und ich wollten eigentlich auf ein Konzert gehen, haben uns dann aber spontan doch für Sport entschieden. Mein Sohn und ich sind 30 Minuten nach dem Anschlag nur ein paar Meter entfernt davon die Straße entlanggelaufen. Wir haben die Krankenwagen gehört. Ich dachte, da habe es einen Verkehrsunfall gegeben, bin nach Hause gegangen und habe mich schlafen gelegt. Am nächsten Morgen war mein Handy voller Nachrichten von Freunden aus aller Welt: Ist bei euch alles in Ordnung? So habe ich erst erfahren, was passiert ist. Es war wie ein Schlag in die Magengrube.

Gemeinsam mit etwa 800 anderen Ansbachern engagieren Sie sich im Netzwerk "Ansbach hilft", unter anderem über Facebook. Wie haben Sie und die anderen Helfer reagiert?

Es gab in der Facebook-Gruppe viel Trauer und Zorn. Aber auch ein Gefühl des Miteinanders. Wir sind uns einig, dass die Arbeit der vergangenen Monate nicht von einer solchen Tat zerstört werden darf. Unser Motto ist: Meinen Hass bekommt Ihr nicht.

Aber natürlich war es emotional sehr schwierig. Einige von uns kannten den Täter. Ich kann auch nicht ausschließen, dass ich ihm mal begegnet bin. Gerade die Leute, die eher still und zurückgezogen sind, übersieht man leicht. Da fragt man sich automatisch: Hätte ich das verhindern können? Bin ich vielleicht nicht genug auf ihn zugegangen? Dabei ist eigentlich klar, dass ein Mensch ab einem gewissen Punkt professionelle Hilfe braucht, damit er sich nicht kriminalisiert oder radikalisiert. Das können Ehrenamtliche nicht leisten.

Bekommen die Ansbacher Ehrenamtlichen in dieser Situation Hilfe?

Wir hatten leider in der ganzen Aufregung kaum Zeit, Luft zu holen. Am Montag fiel zum Beispiel eine Gruppe Neonazis mit Lautsprecherwagen in Ansbach ein, angeblich auf Wunsch von Ansbacher Bürgern. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht in der Stadt, aber Dutzende Menschen haben sich ihnen sofort entgegengestellt.

Einer unserer stellvertretender Bürgermeister, Christian Schoen, hat aber schon psychologische Betreuung für die Ehrenamtlichen organisiert. Dafür sind wir sehr dankbar.

Wie geht es den Flüchtlingen in Ansbach?

Für sie war es ein riesiger Schock. Sie fliehen vor Gewalt - und werden hier davon eingeholt. Außerdem sind viele von ihnen gebildete Leute. Die durchblicken die politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen einer solchen Tat. Sie wissen, dass sie nun im Fokus stehen - wegen ihrer Herkunft, wegen ihrer Hautfarbe. Es war sehr schmerzhaft, dass wir ihnen am Montag sagen mussten: Geht mal lieber nicht durch die Stadt, das kann gefährlich werden.

Wie hat sich die Stimmung in der Stadt verändert?

Die letzte Woche war schon schlimm. Erst der Anschlag in Würzburg, dann der Amoklauf in München, bei dem viele sofort "IS" geschrien haben. Und nun auch noch der Anschlag bei uns. Solche Taten fügen einer Gemeinschaft große Schmerzen zu. Das war in Ansbach auch schon so, als es vor ein paar Jahren einen Amoklauf in einer Schule gab.

Umso wichtiger ist es, jetzt zusammenzuhalten, damit die Gemeinschaft wieder heilen kann. Wir organisieren zum Beispiel bald wieder ein "Café Vielfalt", so heißen unsere regelmäßigen Treffen von Flüchtlingen und Ansbachern. Die Gespräche dort werden sicher andere sein als vor dem Attentat.

Spüren Sie als Flüchtlingshelfer jetzt mehr Ablehnung?

Es gibt natürlich viele schlimme Kommentare. Auf Facebook kommen gerade alle Trolle aus dem Gehölz gekrabbelt, um ihren Hass abzulassen. Bei vielen wissen wir nicht einmal, ob sie tatsächlich aus Ansbach sind. Generell ist die Stimmung in der Stadt uns gegenüber nämlich sehr positiv. Wir haben das Netzwerk vor eineinhalb Jahren mit fünf Leuten gestartet, inzwischen sind dort 800 Helfer organisiert. Das ist schon eine enorme Zahl. Von ihnen hat auch keiner nach dem Anschlag hingeschmissen.

Für uns Ehrenamtliche überwiegen ja immer noch die positiven Erlebnisse, die vielen Freundschaften, die in den vergangenen Monaten entstanden sind. Einer der ersten Freunde, der mir Sonntagnacht geschrieben hat, war übrigens ein syrischer Architekt, der im Herbst 2014 nach Ansbach kam und inzwischen in Aschaffenburg lebt. Was für uns natürlich traurig ist: Solange in unserem "Café Vielfalt" Dutzende Nationen friedlich beisammensitzen, ist das für die internationale Presse kein Thema. Mit dem Anschlag stehen wir jetzt im Fokus. Ich bin aber trotzdem zuversichtlich, dass wir das überstehen. Denn das Gemeinschaftsgefühl in Ansbach ist stark.

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