Verbrechen:Manchinger Golddiebstahl: Mitarbeiter kritisieren Sicherheitsmängel im Museum

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Von dem, gestohlenen Goldschatz wurden bislang nur noch Münzklumpen sichergestellt. (Foto: Uwe Lein/dpa)

Kaputte Kameras und eine fehlerhafte Alarmanlage: 2022 stahl eine Diebesbande den keltischen Goldschatz von Manching und vor Gericht entsteht der Eindruck, als hätte man es ihnen leicht gemacht. Nur einer widerspricht.

Von Lisa Schnell

Herbert Nerb hat seinen festen Platz im Gerichtssaal 011, dritte Reihe, am Fenster, von dort aus hat er die Angeklagten im Blick. „Ich will ihnen in die Augen sehen, diesen Verbrechern“, sagt Nerb. Er ist Bürgermeister von Manching, seiner Gemeinde gehörte der Goldschatz, den vier Männer im November 2022 aus dem Kelten- und Römermuseum von Manching gestohlen haben sollen. Es war ein spektakulärer Einbruch, hollywoodreif. Die Diebe kappten Glasfaserkabel, legten so die Alarmanlage lahm und brauchten für ihren Coup gerade mal neun Minuten.

Am Ende dieses ersten Tages der Beweisaufnahme aber wirkt es fast so, als würde Herbert Nerb auf der Anklagebank sitzen. Der Bürgermeister habe an der Sicherheit gespart, der Museumsträger habe nicht rechtzeitig auf Warnungen reagiert, die Alarmanlage sei falsch installiert worden. So berichten das Zeugen dem Gericht.

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Etwa Tobias Esch, Museumsleiter des Kelten- und Römermuseums. Er war unter der Dusche, als er von dem Einbruch erfuhr. Später äußerte er in seiner Vernehmung durch die Polizei scharfe Kritik an den Sicherheitsmaßnahmen. Die Kameras der Videoanlage etwa hätten seit geraumer Zeit nicht funktioniert. Schon 2019 habe es kleinere Probleme gegeben, sagt er vor Gericht. 2020 stellte sich die Frage, ob es nicht eine neue Anlage brauche. Eine neue Anlage aber sei nicht angeschafft worden, erst 2022, als massivere Ausfälle folgten, sollte das System erneuert werden. Zu spät. Nach dem Einbruch konnten die Ermittler keine Videoaufzeichnungen sicherstellen.

Oder aber die Alarmanlage. Früher sei bei einem Alarm automatisch sofort die Polizei gekommen. Esch erachtet das für „sinnvoll und erstrebenswert“.  Die Kosten für einen Polizeieinsatz bei einem Fehlalarm beliefen sich auf 300 Euro, allzu oft sei das nicht passiert. Das sei doch keine Summe im Vergleich zu dem Millionenwert des Schatzes, sagt eine Verteidigerin. Esch sieht das offenbar auch so, nur: „Ich kann meine Meinung dazu sagen, wenn es nicht gewollt ist, ist es nicht gewollt.“ Nicht gewollt habe es der Bürgermeister, der „versucht an allen Ecken und Enden einzusparen“. So sagte es Esch laut einem Verteidiger der Polizei.

Und es gibt offenbar noch ein weiteres Versäumnis, das vor allem der Sicherheitsfirma zuzurechnen ist, die vom Museum beauftragt war. Eigentlich sollte die Alarmanlage über eine sogenannte Redundanz verfügen. Das heißt, dass ein Alarm im Museum über zwei Wege, Mobilfunk und Internet, an die Sicherheitsfirma gemeldet wird. Fällt der eine Weg aus, gibt es noch den zweiten. Auch Museumsleiter Esch ging davon aus, dass das „Highlight“ seines Museums so geschützt war. Nur: Offenbar war das nicht der Fall.

Die Verteidigung zitiert aus einem Schlussbericht, der nach einer Untersuchung bei der Sicherheitsfirma verfasst wurde. Darin heißt es, dass zwar eine Redundanz vorgesehen war, eine dazu nötige Freischaltung durch einen Techniker aber nicht erfolgt sei. „Offensichtlich wurde vergessen, diese Redundanz einzurichten“, sagt die Verteidigerin. Glaubt man Sicherheitsexperten, wäre das ein erhebliches Sicherheitsrisiko.

Den Diebstahl von Manching aber hätte wohl auch eine Redundanz nicht verhindert, da von den Einbrechern sowohl Internet als auch Mobilfunkverbindungen gekappt wurden. Laut SZ-Informationen hätte die Sicherheitsfirma aber trotzdem merken müssen, dass die Alarmanlage defekt ist. Üblicherweise senden Alarmanlagen laut Experten in kurzen Abständen ein Signal, bleibt dieses aus, sollte eine Sicherheitsfirma reagieren. Ob dieser Mechanismus durch die fehlende Redundanz auch ausgeschaltet war, wurde vor Gericht bisher nicht geklärt.

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Die Verteidigung aber nennt noch weitere Sicherheitsmängel, die aus der Akte hervorgingen. So soll vertraglich mit der Sicherheitsfirma vereinbart worden sein, dass im Falle einer Störmeldung das Museum erst am nächsten Tag informiert werden müsse. Museumsleiter Esch und weitere Mitarbeiter des Museums vermittelten dagegen den Eindruck, dass die Sicherheitsfirma sie im Alarmfall unmittelbar informieren würde. Immer wieder fragt die Verteidigung nach, wer denn für die Sicherheit zuständig gewesen sei, immer wieder bekommt sie zur Antwort: „der Zweckverband“. Dessen Vorstand hieß auch: Herbert Nerb.

In der Prozesspause ein paar Fragen an den Bürgermeister in Reihe drei. Wie war das mit dem direkten Draht zur Polizei, war der zu teuer? „Als Bürgermeister“, sagt er, „ist man immer gezwungen zu sparen.“ Auch an funktionierenden Kameras in einem Museum, das den größten Goldschatzfund im 20. Jahrhundert ausstellt im Wert von 1,5 Millionen Euro? Nerb winkt ab. Die Videoanlage sei quasi der Mercedes unter den Anlagen gewesen, als sie sie gekauft haben. Von der Sache mit der Redundanz wisse er nichts. Aber so „windig“ wie das vor Gericht dargestellt werde, sei es nicht gewesen.

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Es ist die Verteidigung, die immer wieder auf Sicherheitsmängel hinweist, man kann nun mutmaßen, wieso. Vielleicht ja deshalb, weil die kriminelle Energie, die es braucht, um in ein schlecht gesichertes Objekt einzubrechen, geringer ist als bei einem gut gesicherten Objekt. Und sich das vielleicht auf das Strafmaß auswirkt. Dazu äußern will sich die Verteidigung nicht. Auch die Angeklagten schweigen.

Sie verfolgen die Verhandlung entspannt bis gelangweilt. Der eine unterdrückt ein Gähnen, der andere schaut auf die Uhr. Es sind vier Männer mit breitem Rücken und breiter Brust. Glaubt man der Anklage, sitzt da eine hochprofessionelle Diebesbande, die seit mindestens sechzehn Jahren unbemerkt Tankstellen und Supermärkte bestohlen hat. In schwarzen Ganzkörperanzügen und Sturmhaube sollen sie Türen aufgestemmt und mit einem Winkelschleifer stundenlang Tresore aufgeflext haben. Zuvor hätten sie jedes Mal die Internet- und Telefonverbindung gekappt. Drei von ihnen stammen aus Schwerin, einer aus Berlin und sie führten offenbar ein Doppelleben. In ihrem einen Leben, da waren sie Fliesenleger, Dachdecker oder Buchhalter, in ihrem anderen sollen sie stehlend durch Deutschland gezogen sein.

Warum sie nach Tankstellen und Supermärkten nun auf einmal einen keltischen Goldschatz aus dem 1. Jahrhundert vor Christus stehlen wollten? Darauf gibt es am Dienstag keine Antwort. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

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