Misshandlungen bei den Domspatzen:Ratzingers Beichte

Lesezeit: 2 Min.

Der langjährige Leiter der Domspatzen und Bruder von Papst Benedikt XVI., Georg Ratzinger, hat zugeschlagen - und nicht reagiert, als er von Misshandlungen hörte.

K. Prummer und D. Stawski

Er hat nicht nur von den Schlägen gewusst: "Ich habe am Anfang wiederholt auch Ohrfeigen ausgeteilt", sagt Georg Ratzinger.

30 Jahre lang stand der Bruder von Papst Benedikt XVI. an der Spitze der Regensburger Domspatzen. Lange hat er sich zurückgehalten, zu Beginn noch davon gesprochen, dass die Missbrauchsvorwürfe "eine gewisse Feindseligkeit gegen die Kirche" erkennen lassen. Mancher hege die "bewusste Absicht", sich gegen die katholische Kirche zu äußern, sagte der Papstbruder der Zeitung La Repubblica.

Doch in den vergangenen Tagen wurden immer mehr Missbrauchsvorwürfe von ehemaligen Domspatzen laut.

Vorwürfe fallen in Ratzingers Amtszeit

Immer mehr Schüler meldeten sich, berichteten von Schlägen in der Vorschule mit dem Schlüsselbund, mit einem Stuhl. Von Prügeln als systematische Erziehungsmethode auch noch Anfang der neunziger Jahre.

Die Schläge kamen häufig von Schulleiter Johann Meier. Der habe den Schülern das Gefühl gegeben, in einem "Straflager" gelandet zu sein.

Alle diese Vorwürfe fallen in Ratzingers Amtszeit als Domkapellmeister, als Leiter der Domspatzen. Die Schüler berichteten auch, dass Ratzinger mehrmals die Vorschule besucht habe.

Nun redet Ratzinger doch.

Er gibt zu, von Prügeln in der Internatsvorschule gewusst zu haben. "Mir war bekannt, dass Direktor Johann Meier sehr heftige Ohrfeigen verteilt hat", sagte er der Passauer Neuen Presse. Einige Domspatzen hätten ihm auf Konzertreisen davon erzählt. "Aber ihre Berichte sind bei mir nicht so angekommen, dass ich glaubte, etwas unternehmen zu müssen." Er verurteile das Geschehene heute umso mehr und bitte die Opfer um Verzeihung.

Johann Meier leitete die Vorschule von 1953 bis 1992 - die Amtszeiten von Meier und Ratzinger überschneiden sich zu großen Teilen. Ratzinger stand von 1964 bis 1994 an der Spitze der Domspatzen.

Zu den Vorwürfen an der Vorschule kommt auch noch ein Fall aus dem Regensburger Domspatzen-Internat. Der frühere Internatsleiter Georg Z., der im Jahr 1959 im Amt war, wurde nach Angaben des Bistums 1971 zu elf Monaten Haft verurteilt, vermutlich wegen eines Übergriffs auf einen Schützling.

Das Urteil fiel also mitten in Ratzingers Amtszeit.

Spätes Bedauern

Von den bekannt gewordenen Vorwürfen sexuellen Missbrauchs in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren bei den Domspatzen habe er aber nichts gewusst. "Bei uns im Haus ist über diese Dinge nie gesprochen worden", sagte Ratzinger.

Er räumt ein, bis zum Ende der siebziger Jahre in den Chorproben selbst hin und wieder Ohrfeigen verteilt zu haben, wie es auch ein ehemaliger Schüler der SZ berichtete.

Ratzinger distanziert sich aber deutlich von den Methoden des damaligen Direktors der Vorschule, in der Grundschulkinder auf ihre Zeit bei den Domspatzen vorbereitet werden. "Wenn ich gewusst hätte, mit welch übertriebener Heftigkeit er vorging, dann hätte ich schon damals etwas gesagt."

Derweil versuchen Ratzinger und das Regensburger Bistum um Bischof Gerhard Ludwig Müller eine klare Trennungslinie zwischen den Domspatzen in Regensburg und der Vorschule in Pielenhofen zu ziehen, die bis 1981 in Etterzhausen angesiedelt war. Sie weisen auf die Eigenständigkeit der Vorschule hin - denn das Gros der Vorwürfe bezieht sich auf diese Einrichtung.

In einem Kommuniqué im zentralen Mitteilungsorgan des Papstes im Vatikan, dem L'Osservatore Romano, schreibt Bischof Müller: "Die Grundschule (...) ist eine von den Domspatzen unabhängige Einrichtung, bei der es nur punktuelle Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Musikerziehung gibt."

Auch Ratzinger betonte seine Machtlosigkeit: Die Internatsschule sei eine völlig selbständige Institution gewesen, in die man nicht habe "hineinregieren" können. Selbst wenn er gewusst hätte, wie brutal es in der Vorschule zugeht, hätte er den Direktor nicht zum Handeln zwingen können.

Rein rechtlich ist das richtig, die Schule ist als selbständige, öffentliche Stiftung des privaten Rechts gegründet. Ehemalige Domspatzen aber beschreiben die beiden Schulen als in der Praxis eng verbunden.

"Ratzinger hätte es wissen müssen", sagt ein Betroffener. "Und ein Wort von ihm hätte gereicht, dann wäre es vorbei gewesen."

© SZ vom 10.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: