Nach dem Wirbel um ein missglücktes Anti-Salafismus-Video des bayerischen Innenministeriums dringt die Opposition auf Aufklärung. Grüne und SPD im Landtag haben schriftliche Anfragen an die Staatsregierung eingereicht, beide Fragenkataloge liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Die Innenpolitiker Florian Siekmann (Grüne) und Christiane Feichtmeier (SPD) wollen etwa wissen, welche Stelle das Video produziert hat, von wem sich das Haus von Joachim Herrmann (CSU) beraten ließ, wer den Film abgenommen und freigegeben hat – und inwieweit der Innenminister oder sein Staatssekretär Sandro Kirchner in den Prozess eingebunden waren.
Das Innenministerium hat das Kurzvideo, das als Werbung für eine neue Kampagne gegen Gefahren durch islamistische Prediger gedacht war, vorerst gelöscht; am Dienstagmorgen war es nicht mehr wie zuvor auf dem Account der Behörde bei X, ehemals Twitter, zu sehen. Der animierte Clip zeigt eine junge Frau, die sich auf dem Handy Informationen eines Predigers anschaut. Ihre Frage: „Dürfen sich Musliminnen schminken?“ Unter höhnischem Lachen und bedrohlicher Musik gerät das Gesicht des Mannes zur Fratze, die Frau verschwindet in seinem riesigem Schlund. Danach ist die Frau erst mit Kopftuch, dann voll verschleiert zu sehen, wie sie als eine von offenbar mehreren Ehefrauen in der Küche arbeitet. „Die Salafismus-Falle“ ist als Slogan eingeblendet – „Es geht schneller, als Du denkst“.
In der öffentlichen Kritik vor allem im Netz, auch international, standen die fehlende Unterscheidung zwischen Religion und Extremismus sowie die stereotype Bildsprache. Von „plumpen Vorurteilen, die salafistische Opfererzählungen nur noch verstärken“, sprach der Grüne Siekmann. Das Ministerium teilte am Dienstag mit: „Einflussreiche salafistische Prediger versuchen verstärkt, mit auf den ersten Blick harmlos wirkenden Alltagsthemen insbesondere junge Menschen zu ködern und für ihr extremistisches Gedankengut zu gewinnen.“ Man nehme aber die Kritik sehr ernst und bedauere „außerordentlich, wenn das Video zu Irritationen und Missverständnissen geführt hat“.
Das Zustandekommen soll nun näher beleuchtet werden. „Leider handelt es sich hier um einen misslungenen Versuch, wirksam gegen demokratiefeindliche Einstellungen vorzugehen“, sagt SPD-Politikerin Feichtmeier. Sie interessiert in ihrer Anfrage überdies: „Wurde das Video samt Bildsprache im Vorfeld der Veröffentlichung mit anerkannten Partnern im interreligiösen Dialog abgestimmt?“ Siekmann treibt um, welche Expertise hinter dem Video stand. „Salafisten treten immer moderner auf, tragen teilweise westliche Markenklamotten und geben sich als Kumpel. Radikale Ansichten werden geschickt eingeflochten“, erklärt er. Es werde dabei Identitätsfindung angeboten, die junge Muslime nach Ausgrenzung oft vergeblich suchten. „An genau diesem Kern geht das Video des Innenministeriums völlig vorbei.“
Grüne fordern Islamismus-Anhörung im Landtag
Die Causa könnte noch ein Nachspiel im Landtag haben. Die Grünen hatten nach dem Terror in Solingen angekündigt, im Innenausschuss eine Fachanhörung zum Islamismus im Freistaat zu beantragen. Dadurch solle ein „differenziertes Lagebild“ entstehen, das auch „dynamische Radikalisierungsprozesse“ von Jugendlichen im Netz aufgreift. Sollte die Anhörung stattfinden, dürfte das Video darin aufs Tapet kommen. Auch die AfD hat Fragen zum Video, allerdings andere. Fraktionsvize Richard Graupner zeigt sich auf Nachfrage „verwundert über die Löschung“, das wirke wie ein „Einknicken der CSU“. Angesichts der radikalen Islamistenszene dürfe man beim Kampf dagegen „nicht die üblichen Wege“ gehen.
Das Innenministerium betonte indes, dass es sich nicht um ein Ende der Kampagne handele: Man überarbeite die Videoszenen, „die Gefahren des Salafismus dürfen aber nicht verharmlost werden“. Zuletzt hatte der Verfassungsschutz in einem Bericht ausführlich vor der Beeinflussung Jugendlicher durch Islamisten auf Social Media gewarnt. Feichtmeier bezweifelt indes, „dass ein bloßer Umschnitt des Videos die Absicht, vor Salafismus zu warnen, wirklich besser transportiert“. Nötig sei es, künftig genaue Kriterien zu definieren, sowie Beratung mit Experten, auch aus dem religiösen Umfeld.