Landessynode:Evangelische Kirche stellt sich Missbrauchsopfern
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Nach der ergebnislosen Bischofswahl widmet sich die Tagung einem unbequemen Schwerpunkt. Erstmals sitzen auch Betroffene auf dem Podium. Die Aufklärung "muss für Sie alle das Top-Thema werden", fordert einer.
Von Annette Zoch
Im Kirchenjahr hat jeder Sonntag einen Namen. Am vergangenen Sonntag hieß er Judika, frei nach Psalm 43: "Gott schaffe mir Recht". "Und was tun Sie dafür?" Diese durchaus schmerzhafte Frage richtete Karin Krapp, evangelische Pfarrerin aus Weimar und Missbrauchsbetroffene, an die Mitglieder der bayerischen evangelischen Landessynode.
Der Umgang der Landeskirche mit sexuellem Missbrauch war an diesem Dienstag ein Schwerpunktthema der Synodentagung. Erstmals saßen neben Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auch Missbrauchsbetroffene auf der Bühne, neben Karin Krapp auch Detlef Zander. Beide sind auch Mitglied des "Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt" auf Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
"Das Thema Aufklärung und Aufarbeitung sexueller Gewalt in der Kirche und der Diakonie muss für Sie alle das Top-Thema werden", sagte Detlef Zander an die Synodalen gewandt. "Schutzkonzepte, Handlungspläne und Schulungen müssen am Ende auf der Ebene der Kirchengemeinden Wirkung entfalten", sagte Zander. Bis 2025 sollten alle Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen ein Schutzkonzept vorweisen können. "Nehmen Sie das Thema überall mit hin, geben Sie ihm keine Nische", sagte Karin Krapp. "Wir haben gestern ein großes Thema kirchlicher Personalpolitik gehabt", sagte sie in Anspielung auf die Bischofswahl, die ohne Ergebnis zu Ende gegangen war. "Das ist zum Beispiel was, wo ich denke: Welche Rolle spielt das Thema sexualisierte Gewalt bei der Wahl einer Bischöfin?"
Bislang sind in Bayern 211 Fälle von sexualisierten Übergriffen und Gewalt gegen Kinder und Erwachsene bekannt
In der Evangelischen Kirche in Bayern sind nach Angaben von Oberkirchenrat Nikolaus Blum bisher 211 Fälle sexualisierter Übergriffe und Gewalt gegen Kinder und Erwachsene bekannt. Diese Fälle reichten zum Teil bis in die 1950er-Jahre zurück, hinzu kommen 30 Fälle von sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz. Man gehe aber von einer hohen Dunkelziffer aus, so Blum. Bei der Anerkennungskommission seien seit 2015 insgesamt 65 Anträge eingegangen und bearbeitet worden. In 62 Fällen seien Leistungen in einer Höhe von insgesamt 1,4 Millionen Euro gewährt worden. Pro betroffener Person betragen die Leistungen laut Blum zwischen 5000 und 50 000 Euro.
Landesbischof Bedford-Strohm wünscht sich mehr Unterstützung vom Staat: Denn es bestehe eine "große Unsicherheit darüber, was als Anerkennungsleistung angemessen ist oder was in Härtefällen noch zusätzlich gezahlt werden sollte". Wer Missbrauch erlebt habe, dürfe nicht feilschen müssen, sagte er: "Trotzdem müssen wir Vergleichbarkeit schaffen." Denn Betroffene dürften nicht nach geographischem oder gesellschaftlichem Tatort unterschiedlich behandelt werden. "Wir brauchen einheitliche gesellschaftliche Standards für einen gerechten Ausgleich. Und dazu brauchen wir dringend eine staatlich eingesetzte Kommission, die die Standards für die ganze Gesellschaft festlegt."
Darüber, wie es nach der geplatzten Bischofswahl vom Vortag weitergehen soll, diskutierten die Synodalen am Nachmittag in nichtöffentlicher Sitzung. Am späten Dienstagabend wollte sich dann auch der Wahlvorbereitungsausschuss treffen und über diese Fragen beraten.