Süddeutsche Zeitung

Missbrauch in Schrobenhausen:Schwestern bedauern Übergriffe

Im Kinderheim St. Josef hat es körperliche Übergriffe gegeben - die Ordensfrauen beteuern aber, nicht mit Gegenständen zugeschlagen zu haben.

Stefan Mayr

Der Orden der Mallersdorfer Schwestern hat erstmals körperliche Übergriffe zweier Klosterschwestern gegen Kinder im Schrobenhausener Kinderheim St. Josef eingeräumt und sein Bedauern geäußert. In einer Pressemitteilung ist die Rede davon, es habe "immer wieder Situationen der Überforderung gegeben", dabei sei es zu "leichter körperlicher Züchtigung" gekommen.

Der Orden bestreitet allerdings, dass es jemals Schläge mit Gegenständen gegeben habe. Der Süddeutschen Zeitung liegen dagegen eidesstattliche Versicherungen von ehemaligen Heimkindern vor, die von Prügeln mit Schuhen, Stöcken und Kleiderbügeln berichten.

Der Orden schreibt zwar von "Fehlreaktionen", "die wir bedauern und die nicht zu unseren pädagogischen Vorstellungen passen". Doch diese "disziplinären Maßnahmen" werden als "Formen leichter körperlicher Züchtigung" bezeichnet, die "bis in die 80er Jahre gesellschaftlich üblich" gewesen seien. Eine ehemalige Heimbewohnerin berichtet, eine Nonne habe ihr einen Schlüsselbund an den Kopf geworfen. "Ich hatte ein Loch im Kopf, was ich da erlebt habe, war grausam", sagt die Frau.

Eine ehemalige Erzieherin, die ungenannt bleiben will, beteuert sogar, sie habe noch 2005 Schläge miterlebt. Diese Tat wäre noch nicht verjährt. Der Orden hat die zwei beschuldigten Schwestern trotz der massiven Vorwürfe nicht suspendiert. Eine sei im Krankenstand, die andere werde demnächst in Ruhestand gehen. "Aber sicher nicht wegen der Vorwürfe", sagt Martin Kugler, der Sprecher des Ordens.

Kugler bestätigte auch, dass die Schwestern des öfteren den ehemaligen Stadtpfarrer und heutigen Bischof Walter Mixa gerufen hätten, falls sie mit den Kindern überfordert waren. "Dann ist der Pfarrer gekommen und hat mit den Kindern unter vier Augen gesprochen", berichtet Kugler. Mit dieser Aussage widerlegt er die Behauptung des Bistums Augsburg, Mixa habe "zu keiner Zeit erzieherische oder pädagogische Funktionen" im Heim inne gehabt. Auch Mixa wird vorgeworfen, er habe Kinder geschlagen - was er dementiert.

Bereits am Donnerstag trafen sich die Verantwortlichen des Kinderheims zu einer Krisensitzung. Danach kündigten sie in einer Pressemitteilung "vielfältige Maßnahmen" an - ohne aber konkret zu werden. Sowohl die Mallersdorfer Schwestern als auch die Verantwortlichen des Heimes und der Stadt Schrobenhausen betonten bislang, sie hätten bis zuletzt noch nie etwas von Prügeln im Heim gehört. "Ich wurde von den Medienberichten völlig überrascht", sagt Bürgermeister Karlheinz Stephan (CSU). Nach Angaben einer ehemaligen Heim-Mitarbeiterin müsste das Kuratorium der Kinderhausstiftung allerdings schon seit Jahren über körperliche Übergriffe Bescheid wissen. So habe eine Tochter eines langjährigen Kuratoriumsmitglieds ein Praktikum im Heim absolviert - und danach von ständigen Prügeln berichtet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4897
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 3.4.2010/wolf
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.